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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13

[Zum Artikel „Reichsbehörden“.]

Übersicht der deutschen Reichsbehörden.

Unmittelbar unter dem Reichskanzler steht die Reichskanzlei, welche als Zentralbüreau den amtlichen Verkehr des Reichskanzlers mit den Chefs der einzelnen Ressorts vermittelt. Die im nachstehenden aufgeführten Reichsbehörden haben ihren Sitz in Berlin, sofern nicht bei den betreffenden Behörden ein anderweiter Amtssitz angegeben ist.

I. Das Auswärtige Amt, von einem Staatssekretär geleitet, zerfällt in folgende drei Abteilungen, von denen die erste in zwei Unterabteilungen, IA (politische Abteilung) für die höhere Politik und IB für die Personalien, geteilt ist. Die Abteilung II ist die handelspolitische, und die Abteilung III die sogen. Rechtsabteilung für internationale Rechtsangelegenheiten. Von dem Auswärtigen Amt ressortieren die Botschafter zu Paris, London, Rom, Wien, Petersburg und Konstantinopel, die Gesandten, Ministerresidenten, Geschäftsträger und Konsuln des Deutschen Reichs.

II. Das Reichsamt des Innern (früher Reichskanzleramt), mit dem Staatssekretär des Innern an der Spitze, zerfällt in eine Zentralabteilung zur Verwaltung, Beaufsichtigung und Bearbeitung der Reichsangelegenheiten, soweit sie nicht besondern Behörden übertragen, und in die wirtschaftliche Abteilung für die gesetzgeberischen Vorarbeiten auf dem wirtschaftlichen Gebiet. Von dem Reichsamt des Innern ressortieren:

1) Der Reichskommissar für das Auswanderungswesen in Hamburg zur Überwachung der vom Bundesrat und von den betreffenden Bundesstaaten erlassenen Vorschriften über das Auswanderungswesen in den deutschen Häfen.

2) Die Reichsschulkommission zur Begutachtung von Anträgen, betreffend die Berechtigung höherer Lehranstalten zur Ausstellung von Zeugnissen für den einjährig-freiwilligen Militärdienst.

3) Die technische Kommission für Seeschiffahrt zur Begutachtung von Seeschiffahrtsangelegenheiten und zu Vorschlägen zur Verbesserung von Seeschiffahrtseinrichtungen.

4) Die Reichsprüfungsinspektoren in den Seestädten für die Prüfung der Seeschiffer und Seesteuerleute mit Inspektionsbezirken a) für Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Lübeck und Hamburg, b) für Hannover, Oldenburg und Bremen und c) für Ostpreußen, Westpreußen und Pommern, und für die Prüfung der Seedampfschiffsmaschinisten für die von den Prüfungskommissionen a) in Danzig, Stettin und Rostock und b) in Flensburg, Hamburg und Bremen abzuhaltenden Prüfungen.

5) Das Schiffsvermessungsamt in Berlin zur Beaufsichtigung des Schiffsvermessungswesens und zur Revision der Schiffsvermessungen.

6) Das Bundesamt für das Heimatwesen, welches für das gesamte Reichsgebiet, mit Ausnahme von Bayern und Elsaß-Lothringen, als endgültig entscheidende Berufungsinstanz in Streitigkeiten zwischen verschiedenen Armenverbänden über die öffentliche Unterstützung Hilfsbedürftiger fungiert, sofern die streitenden Armenverbände verschiedenen Bundesstaaten angehören und nicht die Organisation oder örtliche Abgrenzung der Armenverbände Gegenstand des Streits ist.

7) Die entscheidenden Disziplinarbehörden des Reichs, welche über die Entfernung eines Reichsbeamten (ausgenommen die Mitglieder des Reichsgerichts, des Bundesamtes für das Heimatwesen, des Rechnungshofs und die richterlichen Militärjustizbeamten) aus dem Amt im Weg des Disziplinarverfahrens zu entscheiden haben. Auch sind ihnen die nichtrichterlichen Landesbeamten und die Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Schulen in Elsaß-Lothringen unterstellt. In erster Instanz erkennen die Disziplinarkammern in Arnsberg, Bremen, Breslau, Bromberg, Danzig, Darmstadt, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt a. M., Frankfurt a. O., Hannover, Karlsruhe, Kassel, Köln, Königsberg, Közlin, Leipzig, Liegnitz, Lübeck, Magdeburg, Münster, Oppeln, Posen, Potsdam, Schleswig, Schwerin, Stettin, Straßburg, Stuttgart und Trier, in zweiter Instanz der Disziplinarhof in Leipzig.

8) Die Reichsbehörden für die Untersuchung von Seeunfällen. Diese Untersuchung, soweit sie sich auf Kauffahrteischiffe bezieht, ist den Seeämtern übertragen, welche von den Landesregierungen der Küstenstaaten eingerichtet und also Landesbehörden, keine Reichsbehörden sind. Es sind aber diesen Seeämtern Reichsbeamte, die Reichskommissare bei den Seeämtern, beigegeben, welche vom Reichskanzler ernannt werden, den Verhandlungen derselben beizuwohnen haben und Anträge zu stellen befugt sind, namentlich auch die Einleitung einer Untersuchung beantragen können. Bei Beschwerden gegen die Entscheidung der Seeämter entscheidet das Oberseeamt als Reichsbehörde darüber, ob einem Seeschiffer, einem Seesteuermann oder dem Maschinisten eines Seedampfschiffs die Befugnis zur Ausübung seines Gewerbes wegen Verschuldung eines Seeunfalls zu entziehen sei.

9) Das statistische Amt für die Reichsstatistik.

10) Die Normal-Eichungskommission, die für das Reichsgebiet mit Ausnahme von Bayern alle Gegenstände, welche die technische Seite des Eichungswesens betreffen, zu regeln und darüber zu wachen hat, daß das Eichungswesen nach übereinstimmenden Regeln und den Interessen des Verkehrs entsprechend gehandhabt werde, auch allgemeine Vorschriften über das Eichungswesen zu erlassen und die Taxen für die Eichungsgebühren festzustellen hat.

11) Das Gesundheitsamt, zur Unterstützung des Reichskanzlers in der Ausübung des Aufsichtsrechts und in der Vorbereitung der Gesetzgebung auf dem Gebiet der Medizinal- und Veterinärpolizei bestimmt.

12) Das Patentamt, welches aus sieben Abteilungen besteht, von denen die Abteilungen 1–6 für die Beschlußfassung über Patentgesuche kompetent sind, während Abteilung 7 für die Entscheidung in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit u. wegen Zurücknahme erteilter Patente bestimmt ist.

13) Das Reichsversicherungsamt, mit der Ausführung und Überwachung der Unfallversicherung der Arbeiter betraut; zugleich Beschwerdeinstanz für die Berufsgenossenschaften, disziplinarische Aufsichtsbehörde für die Inhaber der Genossenschaftsämter und Rekursinstanz für die Schiedsgerichte der Berufsgenossenschaften.

14) Die physikalisch-technische Reichsanstalt in Charlottenburg zur experimentellen Förderung der exakten Naturforschung und der Präzisionstechnik; zerfällt in eine der Forschung gewidmete physikalische und eine technische Abteilung, welche die Ergebnisse der Forschung nach der technischen Seite hin weiter zu bilden und für die wissenschaftliche Technik nutzbar zu machen hat.

15) Die auf Grund des Reichsgesetzes vom 21. Okt. 1878 (Sozialistengesetz) eingesetzte Reichskommission, welche über Beschwerden zu entscheiden hat gegen die seitens der

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 679a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b13_s0679a.jpg&oldid=- (Version vom 1.6.2022)