Seite:Meyers b12 s1008.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12

Philologenversammlungen, jährliche Zusammenkünfte deutscher Philologen und Schulmänner, hervorgegangen aus der bei Gelegenheit des Jubiläums der Göttinger Universität 20. Sept. 1837 auf Anregung von Rost und Thiersch gegründeten „Philologischen Gesellschaft“. Der Verein setzte sich zum Zweck, das Studium der Philologie in der Art zu fördern, daß es die Sprachen und die Sachen mit gleicher Genauigkeit und Gründlichkeit umfaßte, die Methode des Unterrichts mehr und mehr bildend und fruchtbar zu machen, die Wissenschaft aus dem Streite der Schulen zu ziehen, endlich auch größere philologische Unternehmungen zu unterstützen. Zugleich sollte die klassische Bildung in den höhern Schulen gegen die Angriffe des Realismus geschützt werden, und damit wurden die Schulmänner zur Beteiligung herangezogen. Die Göttinger Satzungen wurden 1850 in Berlin umgestaltet und diese wiederum 1868 in Würzburg neu redigiert. Es war dies notwendig, weil 1845 in Darmstadt die orientalische Sektion für die Deutsche Morgenländische Gesellschaft dem Verein beigetreten und ebendaselbst die Errichtung einer pädagogischen Sektion erreicht war. Später (1855) ward in Hamburg der Versuch mit einer archäologischen Sektion gemacht, die aber erst von 1864 an einen festern Bestand gewann; 1862 traten dann in Augsburg die Germanisten zum erstenmal hinzu, und 1863 vereinigten sich mit ihnen auch die Vertreter der romanischen Sprachen. In demselben Jahr begannen die mathematischen Schulmänner eine besondere Sektion zu bilden, und 1865 trat endlich noch eine kritisch-exegetische Abteilung hinzu. Mit dieser Gliederung wurde freilich zugleich eine nicht unbedenkliche Zersplitterung herbeigeführt. Bis 1887 wurden 39 Versammlungen abgehalten. Die seit 1861 im Verlag von B. G. Teubner erscheinenden „Verhandlungen“ der allgemeinen Sitzungen und der pädagogischen Sektion enthalten die interessantesten Vorträge und Erörterungen; von den übrigen Sektionen werden nur kurze Protokolle mitgeteilt. Ein Generalregister über die ersten 25 Versammlungen hat H. E. Bindseil (Leipz. 1869) herausgegeben. Geschichtliches geben Firnhaber in Schmids „Encyklopädie“, Bd. 4 (Gotha 1864), und Eckstein in dem Bericht über die Versammlung in Halle (1867). – Seit 1886 finden außerdem (in der Regel alljährlich wiederkehrende) deutsche Neuphilologentage statt, auf deren erstem (Okt. 1886 in Hannover), zu welchem die Einladung von dem dortigen Verein für neuere Sprachen und verschiedenen Universitätsprofessoren, besonders von Stengel und Vietor in Marburg, ausgegangen war, ein „Verband der Neuphilologen Deutschlands“ begründet wurde. Zweck des Verbandes ist die Pflege der germanischen wie der romanischen Philologie und besonders die Förderung einer lebhaften Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Praxis.

Philologie (v. griech. philos, lieb, befreundet, und logos, Wort, Kunde) findet sich zuerst bei Platon und bedeutet dort die Lust zu und an wissenschaftlicher Mitteilung, wie sie in den Platonischen Dialogen hervortritt. Bald wird jedoch der Ausdruck technisch und bezeichnet wie Polymathie das Streben nach gelehrter Bildung überhaupt oder auch die gesamte zeitgenössische Bildung selbst. In diesem Sinne nannte sich Eratosthenes (um 276–194 v. Chr.) wegen seines über alle Gebiete sich verbreitenden Wissens einen Philologen, ebenso am Ausgang der römischen Republik der Grammatiker und Rhetor Atejus Prätextatus, und Martianus Capella kleidete seine durch das ganze Mittelalter eifrig gelesene Encyklopädie sämtlicher sieben freien Künste: „De nuptiis Mercurii cum philologia“ (etwa 430 v. Chr.), in die Allegorie einer Vermählung des Merkur mit der P. Mit der Wiedererweckung der Wissenschaften in Italien änderte sich die Bedeutung des Wortes. Indem das zeitgenössische Wissen zurücktrat, wurde P. der Inbegriff aller an das griechische und römische Altertum anknüpfenden Studien. Als man aber seit dem Ende des 18. Jahrh. anfing, auch das Geistesleben andrer Völker in den Kreis wissenschaftlicher Betrachtung zu ziehen, trat, indem man auch diese Aufgabe der P. zuwies, eine neue Verschiebung des Begriffs ein. Seitdem versteht man unter P. die Wissenschaft vom Geistesleben jedes Kulturvolkes, insofern dasselbe sich in Sprache und Litteratur, im Staats-, Privat- und Religionsleben, endlich in der Kunst offenbart. Man spricht daher von indischer, ägyptischer, hebräischer, germanistischer, moderner P. etc., zum Teil allerdings den Begriff der P. auf das Sprach- und Litteraturstudium beschränkend. Zum Unterschied davon nennt man die dem Geistesleben der griechischen und römischen Nation zugewendete P. die klassische; doch bezeichnet man dieselbe auch jetzt noch häufig genug als P. an und für sich. In der That bildet dieselbe eine in sich abgeschlossene Wissenschaft, die man auch klassische Altertumskunde oder Altertumswissenschaft, Humanitätsstudium (Humaniora) nennt, und sie allein ist es, der hier unsre Darstellung gilt.

Die Keime derselben finden sich bei den Griechen bereits in der voraristotelischen Zeit. Es begegnen uns dort Erörterungen über Sprache und Litteratur, über Staat und Religion, über Poesie, Beredsamkeit und andre Künste; selbst die Anfänge der Kritik zeigen sich in der Feststellung der Homerischen Dichtungen unter Solon und Peisistratos sowie in der Herstellung eines offiziellen Textes von den Werken der drei großen Tragiker durch Lykurgos (370). Die Besprechung ist freilich noch eine nebensächliche und dilettantische, aber mit Aristoteles wird sie zu einer bestimmten und berufsmäßigen Thätigkeit. Bald werden, besonders durch die Fürsorge der Ptolemäer in Alexandria und der Attaliden in Pergamon, die litterarischen Schätze in Bibliotheken gesammelt und für die Gelehrten in den Museen eine Art von Akademie begründet. Ihre Arbeiten sind teils bibliothekarischer Art, indem sie systematische Kataloge (pinakes) anfertigen, Klassifikationen (kanones) der Schriftsteller nach den verschiedenen Gebieten aufstellen, Auszüge und Inhaltsangaben zufügen, Zusammengehöriges, wie Fabeln, Sprichwörter etc., in Sammlungen vereinigen; teils dienen sie der Wort- und Sacherklärung sowie der Textesherstellung, besonders der Homerischen Gedichte, doch auch des Hesiod, der Lyriker, Dramatiker und einzelner Prosaiker, teils beziehen sie sich auf Grammatik; auch das Staats-, Privat- und Religionsleben sowie die Kunst finden Berücksichtigung, freilich mehr durch Herbeischaffung des Materials als durch systematische Verarbeitung. Man nannte diese Männer Grammatiker, und diese Benennung verblieb durch das gesamte Altertum. Die bedeutendsten derselben waren in Alexandria Zenodot von Ephesos (um 284–246 v. Chr.), Kallimachos von Kyrene (um 296–224), Eratosthenes von Kyrene (um 276–194), Apollonios von Rhodos (um 196), Aristophanes von Byzanz (um 220), Aristarchos von Samothrake (um 181–146), in Pergamon Krates von Mallos (um 210–140). In Aristarch erreicht diese P. ihren Höhepunkt. In der an ihn sich anschließenden Schule

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 1008. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s1008.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2021)