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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12

Kirschbäumen verwendet wurde, die heute einen Ertrag von 100,000 Mk. geben. Ein einziger Garten in Hyères liefert für 30,000 Mk. Pfirsiche, andre Gärten ebendaselbst für 80,000 Mk. Prunellen (Pflaumen). Der Pomolog Baltet in Troyes zieht feine und große Birnen und verkauft das Stück mit 8 Mk., vielleicht dieselben, die in Berlin mit 30–35 Mk. das Stück verkauft werden. Bekannt ist der feine Obst-, namentlich Pfirsichbau in Montreuil bei Paris. In Plongartel bei Metz werden jährlich für 600,000 Mk. Erdbeeren verkauft. Die Schweiz führt jährlich für 1 Mill. Mk. Obst allein nach Deutschland aus, und an diesem Export beteiligen sich namentlich die Kantone Thurgau mit 900,000 Obstbäumen, Aargau, St. Gallen, Graubünden, Zürich, Luzern, Bern u. a. Im mittlern Schweden, Gemeinde Kinnekulle in Skaraborgs Län, werden bedeutende Massen Kirschen und Apfelrosen (Hagebutten) gebaut und getrocknet zum Herbstmarkt nach Lidköping gebracht, von wo sie über ganz Schweden versendet werden. In Böhmen schätzt man die Anzahl der Obstbäume auf 16 Mill. und den jährlichen Ertrag auf 10 Mill. Mk. In den gräflich Thunschen Gärten bei Tetschen befinden sich 40,000 tragbare Obstbäume. Böhmen und das kleine Städtchen Werder a. d. Havel versorgen hauptsächlich Berlin mit Obst, letzteres allein für mehr als 1 Mill. Mk. jährlich. Württemberg hat einen vorzüglich organisierten Obstbau mit 9 Mill. Obstbäumen, die außer für den Gebrauch der Besitzer (Gemeinden) für 14 Mill. Mk. Obst liefern; die Gemeinde Kirchheim allein verkauft jährlich für 120,000 Mk. Kirschen und Kirschgeist, für 220,000 Mk. Obst überhaupt, Reutlingen für 100,000 Mk. In Jakümen a. d. U. wurde auf Veranlassung des dortigen Lehrers eine 10 Hektar große Fläche mit Obstbäumen bepflanzt, aus deren Ertrag heute sämtliche Ausgaben der Gemeinde bestritten werden. Löbbecke-Wahndorf, Provinz Sachsen, bepflanzte eine Anhöhe von 1¼ Hektar Fläche von so geringem Boden, daß er zu Ackerland unbrauchbar, mit Süßkirschen, die heute außer dem Lohn für den Aufseher (Hofmeister) jährlich 5000 Mk. einbringen. Im Regierungsbezirk Frankfurt a. O. werden viel Sauerkirschen gebaut, deren Saft mit 15 Proz. Alkohol versetzt und nach den Tropen in bedeutenden Massen versendet wird. Das Elbthal zwischen Dresden und Meißen hat bedeutenden Erdbeerbau, und von der Station Kötzschenbroda der Leipzig-Dresdener Eisenbahn werden jährlich 50,000 kg Erdbeeren meist nach Berlin versendet. Trotz des nicht unbedeutenden Obstbaues in Deutschland genügt er dem Bedarf doch nicht, denn 1880 wurde für 4,722,000 Mk. frisches und für 7,752,000 Mk. getrocknetes, gepulvertes und eingekochtes Obst ein- und nur für 4 Mill., bez. 639,000 Mk. ausgeführt, wobei frische Zitronen, Apfelsinen u. a. nicht berechnet sind. Frische Weintrauben wurden 1880 für 2,906,000 Mk. ein- und für 21,000 Mk. ausgeführt. Beerenfrüchte, amtlich unter „frisches Gemüse, eßbare Wurzeln, Beeren etc.“ berechnet, zählten oben nicht mit.

Vgl. Lucas, Die Lehre vom Obstbau (mit Medicus, 7. Aufl., Stuttg. 1886); Derselbe, Vollständiges Handbuch der Obstkultur (2. Aufl., das. 1886); Jäger, Obstbau (Hannov. 1871); Bouché, Handbuch des Gemüse- und Obstbaues (Leipz. 1872); Hartwig, Handbuch der Obstbaumzucht (3. Aufl., Weimar 1879); Lucas, Obstbau auf dem Lande (5. Aufl., Stuttg. 1876); Koch, Die deutschen Obstgehölze (das. 1876); Lindemuth, Handbuch des Obstbaues (Berl. 1883); Götting, Der Obstbau (das. 1887); Werck, Kultur der Zwergobstbäume (3. Aufl., Ragaz 1887); Taschenberg und Lucas, Schutz der Obstbäume gegen feindliche Tiere und Krankheiten (Stuttg. 1879); Sorauer, Die Obstbaumkrankheiten (Berl. 1879). S. auch Gartenbau.

Obstgelee (Obsthonig), s. Kraut.

Obstināt (lat.), hartnäckig, halsstarrig.

Obstipation, s. v. w. Stuhlverstopfung.

Obstmade, s. Wickler.

Obstmühle und Obstpresse, s. Obstwein.

Obstrŭentia (lat.), verstopfende Mittel.

Obstruktion (lat.), s. v. w. Stuhlverstopfung.

Obstruktionisten (von obstruere, verstopfen, hindern), Name eines Teils der irischen Partei im britischen Parlament, welcher systematisch durch Mißbrauch der Geschäftsordnung eine Verzögerung und Verschleppung aller Geschäfte herbeizuführen sucht, um das Parlament zur Aufhebung der Union zwischen England und Irland zu zwingen. In den Sessionen seit 1879 wurden durch die O. eine Reihe von Skandalszenen im Parlament herbeigeführt, bis gründliche Änderungen der Geschäftsordnung des Unterhauses dieses Treiben einschränkten oder verhinderten.

Obstwein (Cider, Fruchtwein), gegorner Saft unsrer Obstarten mit Ausnahme der Weintrauben, welche den Wein liefern. Als Surrogat des letztern macht man in Norddeutschland und namentlich in England aus verschiedenen Obstarten künstliche Weine, welche insbesondere die südlichen und moussierenden Traubenweine ziemlich gut nachahmen; in Süddeutschland aber und Frankreich wird aus unvermischtem Birnen- und Äpfelsaft ein billiges erfrischendes Getränk bereitet, welches nur mit den leichten Weinen konkurrieren kann. Man benutzt fast jede Äpfel- oder Birnensorte, doch müssen die auf einmal zu verarbeitenden Früchte von gleicher Reife sein. Frühobst gibt ein angenehmes, aber wenig haltbares Getränk, Herbstobst liefert den schönsten Wein, Spätobst aber den haltbarsten. Saures Obst hat wenig Saft, und dieser gibt ein weniger angenehmes und nicht sehr haltbares Getränk. Der Most aus süßem Obst klärt sich schnell, hält sich aber nicht lange; dagegen gibt bitteres Obst einen dicken, sirupartigen, sehr nährenden, geistigen und haltbaren Most, der, mit süßem vermischt, das vorzüglichste Produkt liefert. Äpfel kann man für sich allein verarbeiten, nicht aber die Birnen; meist werden Äpfel und Birnen miteinander gemischt und zwar zucker- und saftreichere Birnen mit recht herben Äpfeln oder umgekehrt weichere Äpfelsorten mit rauhen, ungenießbaren Birnen. Man erntet das Obst so spät als möglich und läßt die spät reifenden Sorten am besten auf dem Rasen in Haufen lagern, die vor dem Frost durch Bedecken geschützt und häufig ausgelesen werden. Am besten verarbeitet man das Obst, wenn es gelb und mürbe geworden ist, kleine blaue Flecke zeigt und einen geistigen Geruch verbreitet. Zum Zerquetschen des Obstes dient ein aufrecht stehender Mühlstein, welcher in einem Trog hin- und hergewälzt wird oder eine kreisförmige Bahn durchläuft. Man benutzt aber auch Maschinen, die das vorher zerschnittene Obst zwischen Walzen zerquetschen oder mit Hilfe einer rotierenden Zahntrommel zu Brei zerreiben (am bekanntesten sind die Hohenheimer und die Frankfurter Walzenmühlen, letztere verarbeiten bei fünf Mann Bedienung 500 kg Obst in einer Stunde). Der Brei wird meist auf einer einfachen Spindelpresse ausgepreßt. Im amerikanischen Großbetrieb benutzt man Kniehebelpressen, die pro Tag 140 hl Brei verarbeiten. Den reinen Äpfelbrei läßt man vor dem Pressen einige Tage stehen, weil der Most dadurch eine schönere Farbe, mehr

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0314.jpg&oldid=- (Version vom 15.4.2021)