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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12

die Sklaven aber, welche dabei Dienste leisteten, vom See sofort verschlungen (vermutlich geopfert). Da man früher an der betreffenden Stelle des Tacitus Hertha (statt N.) las und Rügen für die Insel ihres Dienstes hielt, lokalisierte man dort von gelehrter Seite die Sage, was allerlei Fiktionen zur Folge hatte. Grimm und Simrock finden in N. Beziehung zu Njörd (s. d.). Vgl. Mannhardt, Wald- und Feldkulte (Berl. 1875–77, 2 Bde.).

Nertschinsk, Kreis der russ. Provinz Transbaikalien (Ostsibirien), 26,590 qkm (483 QM.) groß mit (1870) 28,841 Einw., ist ein von Ausläufern des Jablonoigebirges ausgefülltes und von Ingoda und Onon, die nach ihrer Vereinigung die Schilka bilden, bewässertes Hochland, dessen großer Mineralreichtum (Gold, Silber, Quecksilber, Zinn, Eisen, Kohlen, Salz) dem Kreis eine Weltbedeutung verschafft hat. Die Hüttenwerk von N. lieferten in den 40er Jahren jährlich für 2 Mill. Rubel Metallprodukte, doch haben sie in letzter Zeit nur Unkosten. Bedeutend ist die Salzsiederei am Borsinsksee sowie die Zahl der Mineralquellen. Am untern Lauf der Schilka arbeiten 2000 Sträflinge in den Goldwäschereien von Kara. In Klima wie Vegetation vollzieht sich der Übergang vom feuchten Meeresuferland zur trocknen Steppe. In dem kurzen, aber sehr heißen Sommer erzeugt das Land eine prachtvolle Flora. Ackerbau und Gemüsekultur werden mit Erfolg betrieben. Die große sibirische Poststraße durchschneidet den Kreis. Die eingeborne Bevölkerung gehört im Norden dem tungusischen, im S. dem mongolischen (Buräten) Volksstamm an; zahlreich sind Russen, die besonders zwischen Schilka und Argun vor andern Nationen vorwiegen. – Die Stadt N., mit 4070 Einw., wurde 1658 am linken Ufer der Schilka gegründet, aber wegen häufiger Überschwemmungen 1812 etwa 4 km nördlich vom Fluß verlegt. Zwar können nur ganz kleine Fahrzeuge bis N. gelangen, größere bloß bis zu dem 160 km unterhalb gelegenen Stretensk; doch ist der Handel von N. sehr bedeutend. Die Zufuhr von Manufakten auf dem hiesigen Jahrmarkt beträgt 1½ Mill. Rub. Hier wurde 1689 ein Vertrag mit China geschlossen. Östlich, 295 km von der Stadt, die Nertschinskhütte mit bedeutender Silberproduktion und bekannt durch die wichtigen meteorologischen Beobachtungen, welche hier angestellt wurden.

Neruda, 1) Johann, tschech. Dichter und Novellist, geb. 10. Juni 1834 zu Prag, machte weite Reisen und lebt als Schriftsteller in Prag. Er schrieb: „Knihy versu“ („Bücher der Verse“, 1868); „Kosmicke pisne“ („Kosmische Lieder“, 1879; deutsch von G. Pawikowsky, Leipz. 1880); vielgelesene „Genrebilder aus dem Prager Leben“, „Kleinseitner Geschichten“ (beide deutsch, das. 1883–84); zahlreiche litterarhistorische und ästhetische Aufsätze (in den „Narodni Listy“) etc. Weniger glücklich war er in seinen dramatischen Versuchen.

2) Wilhelmine, Violinspielerin, geb. 29. März 1839 zu Brünn als Tochter des dortigen Domorganisten N., erhielt mit ihren Geschwistern den Unterricht in der Musik von ihrem Vater und trat bereits 1845 mit Erfolg öffentlich auf. Später machte sie mit ihrer Schwester Maria (geb. 1844), einer Pianistin, und ihrem Bruder Franz (gest. 1852 in Petersburg), einem Violoncellisten, längere Kunstreisen durch ganz Europa. Seit 1864 war sie mit dem Hofkapellmeister Ludw. Normann (gest. 28. März 1885) in Stockholm vermählt, lebte jedoch meist in London, wo sie sowohl als Solo- wie als Quartettspielerin in hohem Ansehen steht.

Nerva, Marcus Coccejus, röm. Kaiser, stammte aus Narnia in Umbrien, bekleidete mit Vespasianus 71 n. Chr. und mit Domitianus 90 das Konsulat und wurde nach der Ermordung des Domitianus 18. Sept. 96 von den Verschwornen als Kaiser ausgerufen und vom Senat als solcher anerkannt. Er erließ sogleich eine allgemeine Amnestie, verbesserte die Rechtspflege, minderte die Steuerlast und führte überhaupt die Regierung mit Einsicht und einer vielleicht zu großen Milde. Hochbejahrt sich dem Übermut der Prätorianer nicht gewachsen fühlend, adoptierte er Trajanus und ernannte ihn zum Mitregenten. Er starb 27. Jan. 98. Vgl. Champagny, Die Antonine, Bd. 1: „N. und Trajanus“ (deutsch, Halle 1876). – N. kommt außerdem als Zuname mehrerer Männer aus dem Licinischen Geschlecht vor.

Nerval, franz. Dichter, s. Gérard de Nerval.

Nerven (Nervi, s. Tafeln „Nerven I u. II“), die Stränge und Fäden, welche im Körper der meisten Tiere von den Zentralorganen des Nervensystems (s. d.) zu den Muskeln, den Sinnesorganen etc. ausstrahlen. Jeder Nerv besteht aus kleinern oder größern, parallel nebeneinander laufenden Bündeln von Nervenfasern; diese zerfallen wieder in noch feinere Fäserchen, Fibrillen. Im einfachsten Fall verläuft eine solche Nervenfibrille selbständig und ist dann entweder in eine sogen. Markscheide, d. h. in ein Rohr aus Fett und Eiweißstoffen, eingeschlossen (markhaltige Fibrille), oder liegt frei da (marklose Fibrille). In gleicher Weise kann ein Bündel von marklosen Fibrillen, d. h. eine Nervenfaser, marklos bleiben oder sich mit einer Markscheide umgeben; im letztern Fall nennt man das im Innern der Markscheide gelegene Fibrillenbündel den Achsencylinder. Meist ist auch noch die Nervenfaser von einer besondern häutigen Hülle, der Nervenscheide oder dem Neurilema, umgeben. In lebenden Tieren ist das Markrohr fast flüssig, gerinnt jedoch nach dem Tod zu krümeligen, mit Tropfen untermischten Massen, welche der markhaltigen Nervenfaser ein eigentümliches Ansehen geben; durch Mittel, welche Fett auflösen (Äther, Benzin), ist es nahezu völlig ausziehbar. Markhaltige Fasern und Fibrillen finden sich nur bei den Wirbeltieren (mit Ausnahme der niedersten Gruppen: Leptokardier und Cyklostomen). Bei den Teilungen und Verzweigungen der N., wie sie bei ihrem Verlauf vielfach vorkommen, teilen sich nur die Fasern, indem sich ihre Fibrillen nach verschiedenen Richtungen hin wenden, nie die Fibrillen selbst. Jede Faser steht an ihrem Anfang mit wenigstens einer Ganglienzelle, an ihrem Ende mit einem oder vielen Endapparaten (Sinneszellen, Muskelfaser etc.) in Verbindung. Beim Zitterwels (Malapterurus electricus) z. B. wird das elektrische Organ von einer einzigen Nervenfaser versorgt, die sich millionenmal teilen muß. Auch Verbindungen (Anastomosen) zweier oder mehrerer N. und Verflechtungen zu einem Netz (Nervengeflecht, Nervenplexus) sind bei höhern Tieren nicht selten. An manchen Stellen können in den Verlauf der N. Haufen von Nerven- oder Ganglienzellen, die sogen. Nervenknoten oder Ganglien (s. d.), eingeschaltet sein.

Wie am Muskel, so unterscheidet man auch am lebenden Nerv dreierlei Zustände: 1) den Ruhezustand, 2) den Zustand des Absterbens, 3) den thätigen Zustand. Differenzen im Stoffwechsel des Nervs liegen diesen verschiedenen Zuständen zu Grunde, aber von allen Stoffwechseldifferenzen wissen wir kaum mehr, als daß der Nerv beim Absterben eine saure Reaktion annimmt.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0057.jpg&oldid=- (Version vom 4.9.2021)