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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11

Die Krieger von La Tène schützten sich mit hölzernen Schilden; man hat eigentümliche Schildbuckel gefunden: gebogene Eisenplatten, welche mit Nägeln in der Mittellinie des Schildes befestigt waren (Tafel II). Die Helme bestanden offenbar aus Leder, auf welches Bronzescheiben aufgesetzt waren. Auch fand man Trensen und andre Teile von Pferdegeschirren sowie Bruchstücke von Wagen. Die zu Tage geförderten Kesselhaken unterscheiden sich kaum von den noch heutzutage benutzten, während die Kessel selbst aus einer dünnen, gehämmerten Bronzeplatte, an welche sich oben ein breites, am Rand umgebogenes Eisenblechband anschließt, hergestellt sind. Von Schmuckgegenständen fand man außer charakteristischen Fibeln (Tafel II) nur wenig, dagegen ist die Metallkultur durch Gürtelhaken (Tafel II) von besonderer Form, welche häufig Tierköpfe zur Darstellung bringen, Ringe mit Buckeln oder mit petschaftförmigen oder schalenförmigen Endknöpfen, Armringe von gelbem oder blauem Glas, fein gearbeitete Bronzeketten, deren Ringe durch besondere Zwischenglieder verbunden sind etc., charakterisiert. Der Ornamentstil besteht in eigentümlich geschlängelten Linien, in denen das Triquetrum (Bild der mit Ausläufern in Form von drei laufenden Beinen versehenen Sonnenscheibe) und die Spirale vorherrschen. Vielfach finden sich unter den Ornamenten Schmelzinkrustierungen (Email). Von edlen Metallen zeigt sich besonders Silber verarbeitet. Unter den Bronzegefäßen sind die Schnabelkannen mit hochragenden Ausgüssen bemerkenswert.

Während die Hallstattgruppe in Deutschland hauptsächlich im Donauthal liegt, schließen sich die Metallfunde des Rheinthals vorzugsweise der La Tène-Kultur an. Auch scheint sich diese in einem Gürtel durch das mittlere Deutschland bis nach Böhmen hinzuziehen und von da abwärts durch das westliche Ungarn bis nach Oberitalien, so daß sie das von der ältern Kulturgruppe eingenommene Gebiet in einem Bogen umspannt. Weiterhin zieht die La Tène-Kultur in einem zweiten Gürtel durch das östliche und nördliche Frankreich bis an die Nordsee und hinüber nach den britischen Inseln. In der Schweiz und im südöstlichen Frankreich lassen sich beide Kulturen nachweisen. Norddeutschland hat die ersten Eisensachen durch den Einfluß der Hallstattkultur und die mit dieser zusammenhängenden südlichern Kulturgruppen empfangen. Zu einer eigentlichen Eisenzeit wurde durch sie indessen nur im Osten der Grund gelegt, und im übrigen scheint der Einfluß der Hallstattgruppe die neue Zeit nur anzubahnen; die Begründung der Eisenzeit in Norddeutschland sowie überhaupt in Nordeuropa ist der La Tène-Kultur zu danken. Der Anfangspunkt der La Tène-Kultur in den mitteleuropäischen Gebieten läßt sich zur Zeit noch nicht mit Sicherheit feststellen. Die vorrömische Eisenzeit Norddeutschlands umfaßt aber nach Undset die beiden letzten Jahrhunderte v. Chr., und sowohl in Mittel- als in Nordeuropa wurden die besagten Kulturen durch die römische Metallkultur verdrängt. Während man früher Funde der mitteleuropäischen M. sehr allgemein als keltische Altertümer bezeichnete, hat man in neuester Zeit erkannt, daß an vielem, was man früher den Kelten zuschrieb, andre arische Stämme ebenfalls beteiligt waren. Anderseits steht fest, daß die Kelten an der Pflege und Verbreitung der Hallstattkultur Anteil hatten und vorzugsweise die Träger der La Tène-Kultur gewesen sind. Gewisse Ornamente der La Tène-Gruppe, wie z. B. die eingegrabenen Ringe und Wellenlinien, die Dreiecke, die phantastischen Tiere, deren Kiefer, Schwanz, Hörner und Füße in Pflanzensprosse auslaufen, stellen ein in der keltischen Ornamentik häufig zu findendes Motiv dar. Auch sind die häufig mit La Tène-Altertümern sich findenden „Regenbogenschüsselchen“ von keltischen Völkern in Gallien, Britannien und den Alpenländern geprägte Münzen. Daß keltische und gallische Altertümer in ihrer Stilform mit den Altertümern vom La Tène-Typus im großen und ganzen übereinstimmen, beweisen die in den Festungsgräben der Stadt Alesia (wo Vercingetorix im Entscheidungskampf gegen Cäsar unterlag) aufgefundenen nichtrömischen Waffen sowie die Fundgegenstände aus der Tiefenau, einem Blachfeld unweit Bern, wo über 100 Schwerter, Lanzen, Panzerhemden, zerbrochene Streitwagen, Schmuck, Münzen u. dgl. ausgegraben[WS 1] wurden. Die zwischen den ausgegrabenen Wohnstätten von Bibracte aufgefundenen Werkstätten gehörten wahrscheinlich gallischen Goldschmieden an, und unter den auf dem Hradischt bei Stradonic (Böhmen) gemachten Funden lassen die den Schmiedearbeiten von Bronze und Eisen zugesellten Münzen sowie die daselbst aufgefundenen Darstellungen des Wildschweins (der Eber hatte bei den Kelten eine besondere symbolische Bedeutung) erkennen, daß die besagten Schmiedearbeiten von Kelten herrühren. Daß zwischen den gallischen Altertümern und denjenigen der La Tène-Kultur ein wesentlicher Unterschied nicht besteht, ergibt sich unter anderm auch daraus, daß gewisse Gräber des Grabfeldes von Marzobotto, welche mit Sicherheit den in Oberitalien eingefallenen Galliern zuzuschreiben sind, durch die Grabbeigaben den La Tène-Funden entsprechen.

Die eigenartige Metallkultur, welche sich während der Völkerwanderung und unmittelbar nach derselben auf deutschem Boden entwickelte, und deren charakteristische Fundstücke in den fränkisch-alemannischen Reihengräbern der merowingischen Zeit zusammen mit Langschädeln angetroffen werden, entstand im wesentlichen wohl auf der Basis der römischen Provinzialkultur und benutzte zu Waffen von Metallen ausschließlich Eisen. Unter letztern nimmt neben Schleuder, Bogen, mit eisernen Spitzen von verschiedener Form versehenen Pfeilen und dem Kolben (keulenartiger Kampfstock) das Wurfbeil (Franziska) und die Streitaxt oder Hiltbarte (Tafel II) eine hervorragende Stelle ein. Ferner bestand die Bewaffnung der fränkisch-alemannischen Völker der besagten Epoche in dem Kampfmesser oder Sax (Tafel II), von dem drei Arten, nämlich: der kleinere Sax, der Langsax und der Scramasax, unterschieden werden. Letzterer ist ein einschneidiges Kurzschwert und ist schon zu Beginn der Epoche in Gebrauch gewesen, während das 81 bis 97 cm lange, 4½–6 cm breite, stählerne Langschwert (Spatha), im wesentlichen eine Nachbildung des römischen Langschwerts, erst durch allmähliche Verdrängung des Sax in allgemeinen Gebrauch kommt. Eine sehr mannigfaltig gestaltete Zierde des Schwerts bilden das Mundstück und das Ortband der hölzernen Scheide. Von den Schilden der merowingischen Zeit haben sich, da dieselben ebenfalls aus Holz bestanden, nur die Eisennägel und die eisernen Schildbuckel erhalten, welch letztere den Buckeln des römischen Schildes genau nachgebildet sind. Die Form des Helms entspricht im allgemeinen der phrygischen Mütze des Altertums; derselbe besteht in der Regel aus vier gekreuzten Metallspangen, welche mit Leder oder mit einer von Hornplatten überzogenen Filzschicht bedeckt sind. Die prähistorische Metallkultur Großbritanniens und die angelsächsischen Altertümer

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ausgegrabne
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 529. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b11_s0529.jpg&oldid=- (Version vom 15.3.2021)