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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11

maritimen Forschungen Schritt halten mußten mit der Entwickelung der Schiffahrt und sich erst mit dieser von den Küsten auf die offene See entfernen konnten, so liegt ein weiterer Grund des langsamen Fortschreitens der ozeanischen Untersuchungen in der Mangelhaftigkeit der zu denselben erforderlichen Instrumente; dieselben beschränkten die Beobachtungen auf die Oberfläche des Meers und konnten daher nur sehr einseitige und lückenhafte Resultate liefern. Erst den letzten Dezennien ist es vorbehalten gewesen, die Forschungen auf das Meer in seiner Gesamtheit bis in die größten, früher ungeahnten Tiefen auszudehnen und, dieselben systematisch und streng wissenschaftlich durchführend, Aufschlüsse über die Tiefen, die Bodengestaltung und Beschaffenheit, die Temperatur- sowie die sonstigen physikalischen und biologischen Verhältnisse des flüssigen, den größten Teil unsrer Erdoberfläche einnehmenden Elements zu erlangen. Das Verdienst, die Meereskunde auf positiver, streng wissenschaftlicher Grundlage aufzubauen, hat der Amerikaner M. F. Maury (s. d. 3). Derselbe wurde in seinen Bestrebungen wesentlich unterstützt durch die gerade zu jener Zeit mächtig auftretenden Handels- und Verkehrsbedürfnisse, welche eine Telegraphenverbindung der Alten und Neuen Welt durch unterseeische Kabel verlangten, und denen wir die ersten wichtigen und erfolgreichen Tiefseeforschungen verdanken. Es folgten nun eine ganze Reihe von Expeditionen bis in die jüngste Zeit; dieselben wurden zum größten Teil von den Regierungen der meisten Länder zur wissenschaftlichen Erforschung der Ozeane ausgerüstet und von namhaften Gelehrten begleitet. Eine große Ausdehnung erhielten dieselben durch die vielen Polarfahrten, welche sowohl auf dem Gebiet der geographischen Entdeckungen als auch der ozeanographischen und hydrographischen Forschungen Vorzügliches leisteten. Unter den größern rein wissenschaftlichen Expeditionen verdienen die englische mit dem Challenger, die deutsche mit der Gazelle und die amerikanische mit der Tuscarora hervorgehoben zu werden (weiteres über dieselben s. unten).

Außer den geographischen Forschungen und Entdeckungen, der Aufnahme und Positionsbestimmung von Küsten und Inseln erstreckten sich die Untersuchungen dieser Expeditionen auf die Bestimmung der Tiefen der Meere, der Bodenformation und Beschaffenheit des Grundes, der chemischen und physikalischen Eigenschaften des Wassers, speziell des Salzgehalts, spezifischen Gewichts, der Temperatur, Farbe und Durchsichtigkeit, der Bewegung des Wassers in den Strömungen und Gezeiten (Ebbe und Flut) sowie auf das Tier- und Pflanzenleben der Ozeane. Zum Messen der Wassertiefen hat man sich von alters her des Lotes oder Senkbleies bedient, das in neuerer Zeit allerlei Verbesserungen erfahren hat (s. Tiefenmessung). Zur Erforschung der Bodenbeschaffenheit werden Proben des Grundes heraufbefördert. Dies geschieht durch eine Vorrichtung an dem Lot, indem man eine Höhlung desselben mit Talg ausfüllt, an welchem Bestandteile des Bodens haften bleiben, oder durch eine besondere mittels Ventils schließbare Kammer, welche beim Eindringen in den Grund Teile desselben aufnimmt. Größere Grundproben werden durch Schleppsäcke oder Schleppnetze gewonnen, die in eiserne Rahmen gespannt und beschwert vom Schiff aus auf den Grund gelassen und hier entlang gezogen werden. Gleichzeitig werden mit diesen Schleppsäcken die auf dem Meeresboden befindlichen Tiere und Pflanzen gewonnen; dieselben und ähnliche Apparate, die Schleppkäscher, dienen zur Erforschung der Fauna und Flora des Meers in andern beliebigen Tiefen. Zur Bestimmung des spezifischen Gewichts, des Salzgehalts und der chemischen Zusammensetzung des Wassers werden durch besonders dazu konstruierte Wasserschöpfapparate Wasserproben aus verschiedenen Tiefen heraufgeholt. Das spezifische Gewicht wird mittels des Aräometers bestimmt, der Salzgehalt aus dem spezifischen Gewicht oder, wie die Zusammensetzung des Wassers überhaupt, durch chemische Analyse. Zur Feststellung der Wassertemperatur werden Thermometer angewendet; die Bestimmung der Temperaturen in größern Tiefen hat stets große Schwierigkeiten gemacht, und erst in der neuesten Zeit ist es gelungen, befriedigende Tiefseethermometer herzustellen, von denen das Miller-Casellasche und das Negretti-Zambrasche auf den letzten Expeditionen die meiste Verwendung fanden. Zur Bestimmung der Richtung und Geschwindigkeit des Stroms bedient man sich verschiedener Methoden, indem man entweder die Fortbewegung schwimmender Gegenstände mißt, oder die Geschwindigkeit des Wassers auf die Bewegung einer Schraube oder eines Rades überträgt, deren Umdrehungsanzahl die Stromgeschwindigkeit ergibt und die Stromrichtung durch einen sich in dieselbe einstellenden Körper (ähnlich einer Windfahne) konstatiert. Die letztere Methode wird ausschließlich zur Bestimmung der Strömungen in der Tiefe angewandt. Die Fortbewegung schwimmender Gegenstände benutzt man hauptsächlich zur Bestimmung von Oberflächenströmen, in offener See dient dazu auch die aus astronomischen Beobachtungen abgeleitete Versetzung des Schiffs durch den Strom. Die vertikalen Bewegungen des Wassers, die Ebbe und Flut, werden durch Pegel bestimmt.

Wir geben im folgenden eine Übersicht der hervorragendsten maritimen Expeditionen in chronologischer Folge und nach den Namen der Schiffe, auf welchen dieselben unternommen wurden, unter Hinzufügung der hauptsächlichsten Litteratur für dieselben, soweit sie nicht in den Biographien der betreffenden Reisenden angegeben ist.

Resolution und Adventure, englisch, 1772–75, unter dem Oberbefehl von James Cook (s. d.); wissenschaftliche Begleiter Reinhold und Georg Forster (s. d.). Weltumseglung von Westen nach Osten, ums Kap der Guten Hoffnung in das Südliche Eismeer bis 71° 10′ südl. Br.; Sandwichinseln entdeckt.

Racehorse und Carcaß, englisch, 1773, unter Commander Constantin John Philipps Lord Mulgrave; Begleiter Dr. Irving. Im Nordpolarmeer zwischen Norwegen und Spitzbergen zur Entdeckung einer nordwestlichen Durchfahrt. „Journal of a voyage towards the North Pole“ (Lond. 1774).

Newa, russisch, 1803–1806, unter Kapitän A. J. v. Krusenstern (s. d.); Begleiter Horner und O. v. Kotzebue. Weltumseglung; Orlowinseln entdeckt; japanische Inseln und Kurilen durchforscht und aufgenommen.

Nurik, russisch, 1815–18, unter Kapitän Kotzebue (s. d. 2); Begleiter Chamisso (s. d.) und Eschscholtz (s. d.). Weltumseglung, um die Entdeckungen der Holländer im Stillen Ozean näher zu erforschen und eine nordwestliche Durchfahrt in der Nähe der Beringsstraße zu suchen.

Predprijatje, russisch, 1823–26, unter Kapitän Kotzebue (s. d); Begleiter Emil v. Lenz, Eschscholtz, Hoffmann, Preuß, Siewel. Weltumseglung; Südsee; Schifferarchipel aufgenommen.

L’Astrolabe, französisch, 1826–29 und 1839–40, unter Kapitän Dumont d’Urville (s. d.); die letzte Expedition zusammen mit dem Schiff Zélée unter Jacquinots Führung. Weltumseglung und Antarktisches Meer; Neuseeland und Neuguinea aufgenommen, zahlreiche Inseln entdeckt, Torres- und Cooksstraße durchforscht.

Prinzeß Luise, deutsch, 1830–32, Kapitän Wendt; Begleiter Meyen. Weltumseglung. Meyen, Reise um die Erde (Berl. 1834).

Discovery und Research, englisch, 1839–43, unter Kapitän Sir James Roß (s. d.). Weltumseglung; Antarktisches Meer bis 78° 4′ südl. Br.

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b11_s0256.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2023)