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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11

an und wollte sich in politischer wie religiöser Beziehung von dem fränkischen Reich völlig unabhängig machen, indem er Bündnisse mit den oströmischen Kaisern und mit den Bulgaren einging und sich vom griechischen Kaiser Michael Missionäre erbat. Dieser sandte ihm 863 die Mönche Methodius und Konstantin (Cyrillus), welche die mährischen Landesapostel wurden. Von Ludwig dem Deutschen und seinen Söhnen vielfach bekriegt, nahm Rastislaw seinen Neffen Swatopluk zum Mitregenten an. Dieser schloß jedoch, von dem berechtigten Argwohn des Oheims bedroht, ein Bündnis mit Karlmann, nahm seinen Oheim durch List gefangen und lieferte ihn an Ludwig den Deutschen aus, welcher ihn 870 blenden ließ und in ein Kloster verbannte. Swatopluk wurde nun Lehnsherzog von M., indes schon 871 selbst des Treubruchs angeklagt und von Karlmann verhaftet. Als jedoch der Priester Sklagamar, von den Mähren zu ihrem Fürsten erwählt, einen Aufstand erregte, gab Karlmann Swatopluk wieder frei und übertrug demselben die Führung des bayrischen Heers, das letzterer jedoch, nachdem er sich heimlich mit den Mähren verständigt und zum Herzog ausgerufen worden war, plötzlich an der Spitze derselben überfiel und vernichtete. Ein Feldzug Karlmanns 872 endete gleichfalls mit einer Niederlage. Auf dem Reichstag zu Forchheim 874 mußte König Ludwig Swatopluk als erblichen Herzog des mährischen Reichs gegen das Versprechen eines regelmäßigen Tributs anerkennen. Der Mährenherzog wußte seine Macht nach allen Seiten hin auszubreiten, auch die Tschechen unter Boriwoj I. in ein Abhängigkeitsverhältnis als Schutzpflichtige zu ziehen. Doch erwuchs ihm bald an den Magyaren der gefährlichste Feind. Als er König Arnulf den Gehorsam verweigerte, unternahm dieser 892, unterstützt von den Ungarn, gegen M. einen Feldzug, der erfolglos blieb. Swatopluk starb 894, und nach seinem Tod ging sein Reich rasch seinem Verfall entgegen. Seine Söhne Mojmir II. und Swatopluk II. bekämpften sich in einem Bruderkrieg, der die Kraft des Volkes brach; die Tschechen fielen ab und unterwarfen sich dem fränkischen Reich. 906 erlagen die Mähren den wilden Magyaren, die den östlichen Teil, der auch den Namen M. verlor, das Gebiet der heutigen Slowaken, völlig unterwarfen. Im westlichen Teil, im eigentlichen M., erlangten die Tschechen das Übergewicht; diesem Teil, dem Gebiet der March, blieb der Name M. Die slowenische Liturgie, welche Methodius begründete, wich bereits unter Swatopluk (nach Methods Tode) der lateinischen, die von Salzburg aus Eingang fand, und M. verlor so auch seine kirchliche Unabhängigkeit. Unter Herzog Boleslaw III. von Böhmen ward M. eine Beute der Polen, die es bis 1029 behielten. Herzog Udalrichs Sohn Břetislaw I. 1029 vollführte die Wiedereroberung des Landes, so daß M. damals, abgesehen von dem größern Gebietsumfang im Südwesten und der geringern Ausdehnung nach Ungarn hin, im großen und ganzen seinen jetzigen Umfang erhielt. Seitdem blieb M. mit Böhmen verbunden; doch ward es an die jüngern Söhne verteilt, welche dem ältesten, dem Herzog von Böhmen, zum Gehorsam verpflichtet waren. Břetislaw I. (gest. 1055) selbst wies seinem zweiten Sohn, Wratislaw, Olmütz, dem dritten, Otto, Brünn, und dem vierten, Konrad, Znaim zu, welche indes sofort einen Versuch machten, sich von Böhmen loszureißen, und deshalb von ihrem ältesten Bruder, Spithiniew, ihrer Lande beraubt wurden. Wratislaw II., welcher 1140 selbst Herzog von Böhmen wurde, teilte M. unter seine Brüder Otto und Konrad. Konrad von Znaim nahm, um gegen den böhmischen Herzog Friedrich einen mächtigen Beschützer zu gewinnen, M. vom Kaiser Friedrich I. als eine Markgrafschaft zu Lehen (1182), ward aber vom böhmischen Herzog besiegt, und in der Konstitution der Markgrafschaft M. vom 6. Dez. 1197 wurde bestimmt, daß dieselbe dem Königreich Böhmen lehnspflichtig sein sollte. Nachdem Böhmen an das Haus Luxemburg gefallen war, belehnte Kaiser Karl IV. als König von Böhmen 1349 seinen Bruder Johann Heinrich mit der Markgrafschaft M., und diesem folgte 1375 sein Sohn Jodocus (Jost), dessen Brüder Johann und Procopius mit dem Titel Markgrafen von M. einzelne Herrschaften des Landes zugewiesen erhielten. Jodocus brachte indes die Anteile seiner Brüder durch Vertrag an sich und beherrschte danach die ganze Markgrafschaft. Später erbte er von seinem Oheim Johann von Görlitz die Lausitz und ward kurz vor seinem Tod (1411) zum deutschen Kaiser gewählt. Nach seinem Tod ging M. als böhmisches Kronlehen an König Wenzel IV. und nach dessen kinderlosem Ableben an seinen Bruder Siegmund, König von Ungarn, über, der es 1423 seinem Schwiegersohn, dem Herzog Albrecht von Österreich, überließ. Darauf ward es vom König Matthias Corvinus von Ungarn erobert. Nach seinem Tod fiel es an Böhmen zurück und mit diesem Land nach Ludwigs II. von Ungarn Tod 1526 an Österreich. Seit der Regierung des Kaisers Matthias hat es keine besondern Markgrafen mehr gehabt. Durch die Reichsverfassung von 1849 wurde M. für ein unmittelbares Kronland der Monarchie erklärt und das Herzogtum Schlesien, das bis dahin administrativ mit M. vereinigt war, davon abgelöst. Eine der Hauptforderungen der tschechischen Partei in Böhmen jedoch ist die Wiedervereinigung Mährens mit der Wenzelskrone. Diese Partei besitzt in den feudalen und klerikalen Autonomisten Mährens ihre Anhänger, welche an der Tschechisierung Mährens arbeiten. Dagegen sucht die deutschliberale Partei ihre Stellung zu behaupten. Vgl. Wolny, Die Markgrafschaft M., topographisch, statistisch und historisch geschildert (Brünn 1835–42, 6 Bde.); Derselbe, Kirchliche Topographie von M. (das. 1855–66, 10 Bde.); Koristka, Die Markgrafschaft M. und das Herzogtum Schlesien (Wien 1860); Trampler, Heimatskunde der Markgrafschaft M. (das. 1877); Smolle, Die Markgrafschaft M. (in „Die Länder Österreich-Ungarns“, das. 1881); „Spezial-Ortsrepertorium von M.“ (hrsg. von der k. k. statistischen Zentralkommission, das. 1885); „Vollständiges topographisches Ortslexikon der Markgrafschaft M. etc.“ (Brünn 1885). Zur Geschichte: „Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae“ (hrsg. von Boczek, dann von Chlumetzky, Chytil und Brandl, Brünn 1836–64, 7 Bde.); „Die Landtafel des Markgrafentums M.“ (hrsg. von Demuth u. a., das. 1854); Dudik, Mährens allgemeine Geschichte (Olmütz 1860–86, Bd. 1–11).

Mahrenholtz, Richard, Litterarhistoriker, geb. 22. April 1849 zu Etgersleben bei Magdeburg, studierte in Halle und Berlin und wurde 1874 Gymnasiallehrer in Halle. Seit 1886 lebt er in Dresden. Er schrieb: „Molières Leben und Werke vom Standpunkt der heutigen Forschung“ (Heilbr. 1881); „Molière. Einführung in das Leben und die Werke des Dichters“ (das. 1882); „Voltaire-Studien“ (Oppeln 1882); „Voltaire im Urteil seiner Zeitgenossen“ (das. 1883); „Voltaires Leben und Werke“ (das. 1885, 2 Bde.); „Regnard. Eine Lebensskizze“ (das. 1887).

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b11_s0106.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)