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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10

machen die Arbeit sehr schwierig, weil sie dem Stichel weniger Widerstand leisten und nachgeben. Nach der ersten Herstellung der Platte durch Walzen und Schmieden wird die für den Stich bestimmte Seite auf dem Stein geschliffen und durch feinern Nachschliff mit Lindenkohle geglättet und poliert, so daß sie eine spiegelglatte, ebene Fläche darbietet.

Technik des Kupferstichs. Kupferdruck.

Die zahlreichen Manieren des Kupferstichs, von denen nicht selten mehrere auf derselben Platte zur Anwendung kommen, lassen sich dem Prinzip des Verfahrens nach auf dreierlei Arten zurückführen: die Linienmanier, die geschabte Manier und die Radiermanier. In der Linienmanier, der ältesten Art, wird der Kupferstich, d. h. die Bearbeitung der Platte mit dem Grabstichel (s. d.), vorzugsweise in Anwendung gebracht. Bevor jedoch der Grabstichel sein Werk beginnt, sind noch einige vorbereitende Arbeiten, welche übrigens auch bei den andern Manieren vorkommen, erforderlich, namentlich das Aufpausen der Zeichnung auf die Platte. Zu diesem Zweck wird die Platte mit einem dünnen Ätzgrund überzogen, indem man sie erwärmt und darauf eine Mischung von Mastix und Pech oder Mastix, Asphalt, Wachs und Schellack so zergehen läßt, daß sie eine dünne schwarze Schicht auf der Fläche bildet. Nun wird von der ausgeführten Zeichnung, um sie zu schonen, eine Durchzeichnung auf Öl- oder Glaspapier genommen, ein mit Rotsteinstaub angewischtes Papier mit der gefärbten Seite auf die Platte und darauf wieder die Durchzeichnung, und zwar mit der gezeichneten Seite nach unten, gelegt und dann mit einem stumpfen Stifte die Umrisse der durch das Pauspapier durchscheinenden Zeichnung nachgezogen. Hierdurch druckt sich mittels des Rotsteinstaubs die Zeichnung auf dem schwarzen Ätzgrund der Platte ab und kann nun mittels der Radiernadel entweder in die Platte selbst, so daß sie auch nach Abnahme des Ätzgrundes noch sichtbar bleibt, eingeritzt, oder radiert und geätzt werden (s. unten). Nachdem dies geschehen, wird der Ätzgrund durch Erwärmung oder mittels Terpentins aufgelöst und abgewaschen. Jetzt beginnt das eigentliche Stechen, indem der Kupferstecher vermittelst des Grabstichels, der eine dreieckig schräg abgeschliffene Spitze hat, die Schatten und Lichter der Zeichnung sowie die Schwingung der plastischen Formen der Figuren durch ein System von geraden und geschwungenen, teils parallelen, teils sich kreuzenden, stärkern und schwächern Lineamenten wiederzugeben versucht. Eine genaue Kenntnis der Schraffierungen, wie diese Lineamente genannt werden, in Rücksicht auf ihre plastische Wirkung, welche wiederum auf einem genauen Studium der Formen selbst, namentlich bei Figuren, Köpfen und einzelnen Gliedern des Körpers, basiert, ist für den Linienstecher eine unumgängliche Bedingung. Da der Linienstich in seiner Verfahrungsweise nicht sowohl eine Kopie der Zeichnung ist als vielmehr die Übertragung derselben in das selbständige System eines Lineamentennetzes, so ist die Thätigkeit des Stechers bei dieser Manier eine freiere und deshalb künstlerisch höher stehende als bei den andern Manieren. Noch ist technisch zu bemerken, daß der beim Stechen, namentlich bei tiefen Schnitten, entstehende Grat oder die Barbe, wie man die etwas erhöhte zackige Kante des Schnittes nennt, mit dem Schabeisen fortgenommen werden muß. Zu gewissen parallelen, geraden oder geschwungenen Lineamenten, namentlich in den Lufthintergründen, Meeresflächen etc., bedient man sich auch wohl der Parallelmaschine, jedoch seltener beim Kupferstich als beim Stahlstich. Korrekturen bei falschen Schnitten werden durch Zudrücken der Vertiefung vermittelst des Polierstahls bewirkt. Während der Linienstich bei Anwendung aller ihm zu Gebote stehenden Mittel auch die Wiedergabe der farbigen Wirkung seiner Vorlage, namentlich bei Gemälden, anstrebt, beschränkt sich der Kartonstich, gewissermaßen eine Vorstufe des Linienstichs, auf die Angabe der äußern und innern Linien sowie der zur Modellierung notwendigsten Schatten. Man benutzt den Kartonstich meist zur Wiedergabe von Zeichnungen. Verzichtet man gänzlich auf Schattenangaben, so heißt diese Art des Stiches, die namentlich bei Illustrationen von kunstgeschichtlichen und andern wissenschaftlichen Werken angewendet wird, Kontur- oder Umrißstich.

Die geschabte Manier (Schwarzkunst, mezzo tinto) wird selten auf Kupfer, sondern meist auf Stahl, seiner Härte wegen, ausgeführt. Hier wird die ganze Platte, nachdem zuerst die Zeichnung aufgepaust und radiert ist, rauh gemacht, also in lauter Schatten verwandelt und dann die Lichter durch Schaben mit dem Schabeisen und durch Polieren mit dem Polierstahl herausgebracht. Durch dieses System entsteht eine der Kreidezeichnung ähnliche Wirkung der Platte, welcher jedoch von tüchtigen Stechern eine ziemlich ausgeführte Unterradierung zu Grunde gelegt wird, welche dem Ganzen Kraft und höhere künstlerische Schönheit verleiht. Diese Unterradierung beschränkt sich nicht auf die Umrisse, sondern bedeckt, wie bei der Linienmanier, die ganze Platte, indem sie die Zeichnung bereits, mit Ausnahme der vollen, malerischen Wirkung, in allen Details wiedergibt, ausgenommen etwa in denjenigen Stellen, welche, wie bei gewissen weichen Stoffen (Samt, Atlas etc.), des Natureffekts wegen absichtlich nur geschabt werden sollen. Auch wird häufig die Unterradierung in den starken Kreuzlagen oder, wo die Ätzung nicht tief genug gegangen, noch mit dem Grabstichel nachgearbeitet. Die Schabkunst wurde in den 40er Jahren des 17. Jahrh. durch den hessischen Oberstleutnant L. v. Siegen erfunden. Prinz Ruprecht von der Pfalz lernte sie durch ihn und führte sie in England ein, wo dann namentlich im 18. Jahrh. eine Unmasse Blätter der Art, zumeist fabrikmäßig, produziert wurde, besonders Blätter nach Rembrandt. Gegenwärtig wird die Schwarzkunst nur noch in Verbindung mit Radiermanier angewendet.

Die Radiermanier (Ätzkunst), welche als Vorarbeit schon bei der Linienmanier und der Schabkunst in Anwendung kommt, nimmt in künstlerischer Beziehung, wenn der Stecher sich zur Herstellung der Zeichnung auf sie beschränkt, eine eigentümliche Stellung ein, indem die meisten radierten Blätter ursprünglich nicht von Kupferstechern von Fach und nicht nach Zeichnungsvorlagen, sondern als Originalkompositionen von Meistern der bildenden Künste gefertigt werden (peintres-graveurs). Dergleichen Radierungen sind von den berühmtesten Künstlern, wie Dürer, Rembrandt, A. van Dyck, Waterloo, Ostade, Paul Potter, Callot, Hogarth, auch von Bildhauern, wie Schadow etc., bekannt und sehr geschätzt. Diese eigentümliche Stellung der Radierung gründet sich auf ihre technische Manier, welche in der Leichtigkeit und Freiheit der Stiftführung ganz der Methode der freien Handzeichnung ähnlich ist. Die zu radierende Platte wird zuerst mit schwarzem Ätzgrund überzogen und darauf die Zeichnung (falls eine solche als Vorlage vorhanden ist, wie beim eigentlichen Kupferstich) aufgepaust (s. oben). Demnächst wird die Zeichnung (Komposition) mit der Radiernadel, einem runden,

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0329.jpg&oldid=- (Version vom 12.3.2021)