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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10

Indes obwohl die Stimmung in Deutschland und Österreich entschieden für die Westmächte war, welche die Sache der Zivilisation gegen den russischen Despotismus zu verteidigen schienen, blieben Österreich und Preußen schließlich doch unthätig; nur Sardinien schloß sich 26. Jan. 1855 den Westmächten an und schickte im Mai 15,000 Mann nach der Krim. Die Russen begannen den Kampf 17. Febr. mit einem unglücklichen Angriff auf die Türken in Eupatoria und setzten ihn auch nach Kaiser Nikolaus’ Tod (2. März) fort. Die Alliierten hatten auf General Niels Rat ihren Angriffsplan geändert und ihn gegen die Schiffervorstadt und die diese beherrschende Befestigung des Malakow gerichtet. Der neue Befehlshaber Pélissier leitete den Kampf mit stürmischer Energie. Unaufhörlich wurde die Festung mit Geschossen überschüttet, und fast täglich wurden Batterien und Schanzen mit stürmender Hand angegriffen. Die Russen verteidigten sich mit zähster Tapferkeit und bauten in der Nacht die am Tag zerstörten Festungswerke wieder auf. Nachdem die Verbündeten sich der Außenwerke bemächtigt, versuchten sie 18. Juni den ersten Sturm auf den Malakow und den Redan. Derselbe ward abgeschlagen. Dagegen erlitten die Russen unter Gortschakow, als sie 16. Aug. von neuem einen Angriff in offenem Feld versuchten, an der Tschernaja eine Niederlage, und 8. Sept. eroberten die Franzosen wirklich in blutigem Kampf den Malakow, während der Sturm der Engländer unter Simpson (Raglan war 28. Juni gestorben) auf den Redan mißlang. In der Nacht sprengte Gortschakow die Festungswerke der Südseite in die Luft, versenkte den Rest der Flotte und zog sich auf die Nordseite der Bucht von Sebastopol zurück. Am 11. Sept. besetzten die Verbündeten die rauchenden Trümmer der Stadt, in der sie außer großen Vorräten noch 4000 Kanonen vorfanden.

Frankreichs Kriegslust und Ruhmsucht waren hiermit gestillt, und auch Rußland zeigte sich unter dem friedliebenden Kaiser Alexander II. zum Frieden geneigt, nachdem durch die Eroberung von Kars 28. Nov. auch seiner Waffenehre Genüge gethan war. In England hätte man eine Fortsetzung des Kriegs gewünscht, für die es mit unerschöpfter Kraft rüstete; indes als Rußland auf Österreichs Anregung 16. Jan. 1856 die 22. Juli 1854 von den Westmächten als Zweck des Kriegs und Grundlage des Friedens formulierten vier Punkte annahm, trat 25. Febr. in Paris der Friedenskongreß zusammen. Am 30. März 1856 wurde der Friede von Paris unterzeichnet. Rußland mußte die Donaumündungen nebst einem Landstrich Bessarabiens an die Donaufürstentümer abtreten, Kars wieder ausliefern und auf das einseitige Protektorat über die Donaufürstentümer und die Christen in der Türkei verzichten; die Organisation der erstern sollte von sämtlichen kontrahierenden Mächten ausgehen und von diesen auch gemeinsam die Reformen der Türkei, die selbst in das europäische Konzert aufgenommen wurde, überwacht werden. Die Schiffahrt auf der Donau wurde für frei erklärt, das Schwarze Meer neutralisiert und Rußland untersagt, mehr Kriegsschiffe auf demselben zu halten als die Türkei (welche Beschränkung 1871 auf der Londoner Konferenz wieder aufgehoben wurde). Dies Resultat schien geringfügig im Vergleich zu den ungeheuern Opfern, welche die Westmächte gebracht. Jedoch war es für den weitern Gang der Dinge von größter Bedeutung, daß die Türkei vor Rußlands Eroberungsgier nicht bloß gerettet, sondern auch die Macht dieses Staats, noch mehr der Nimbus derselben, gebrochen und Europa von dem drückenden Joch dieses Hortes der Reaktion befreit war. Den meisten Vorteil trug augenblicklich Napoleon III. davon, dessen Heer mit Ruhm und Erfolg für eine zivilisatorische Idee gekämpft hatte, und welcher nun der mächtigste Mann geworden war, dessen Bündnis viel umworben ward, und auf dessen Worte ganz Europa mit Spannung lauschte. Vgl. „Der Feldzug in der Krim 1854–55“, Sammlung der Berichte beider Parteien (Leipz. 1855–56); Anitschkow, Der Feldzug in der Krim (deutsch, das. 1857–60, 2 Bde.); Bogdanowitsch, Der orientalische Krieg 1853–56 (russ., Petersb. 1876, 4 Bde. mit 25 Karten); Kinglake, The invasion of the Crimea (6. Aufl., Lond. 1883, 7 Bde.); Bazancourt, Der Feldzug in der Krim (deutsch, Wien 1856); Rousset, Histoire de la guerre de Crimée (2. Aufl., Par. 1878, 2 Bde.); „Étude diplomatique sur la guerre de Crimée, par un ancien diplomate“ (Petersb. 1878, 2 Bde.); Geffcken, Zur Geschichte des orientalischen Kriegs 1853–56 (Berl. 1881).

Krimmer, s. Lämmerfelle.

Krimmitschau (Crimmitzschau), Stadt in der sächs. Kreis- und Amtshauptmannschaft Zwickau, an der Pleiße und an der Linie Leipzig-Werdau-Hof der Sächsischen Staatsbahn, 239 m ü. M., hat eine schöne gotische Kirche, eine Real-, eine Handels-, eine Spinn- und Web-, eine Appretur- und eine höhere Bürgerschule, eine schöne Turnhalle, ein Amtsgericht, eine Reichsbanknebenstelle und (1885) 19,755 meist evang. Einwohner. Die Industrie ist bedeutend. K. hat Buckskinfabrikation (Produktion jährlich etwa 31/4 Mill. m verschiedener Qualitäten von Rock- und Hosenstoffen im Wert von 18 Mill. Mk.) und Vigognespinnerei (Produktion jährlich 73/4 Mill. kg Garn im Wert von 15 Mill. Mk.) und damit im Zusammenhang stehend: Färbereien, Appreturanstalten und Wollspinnereien. Absatz außer in Deutschland nach verschiedenen Ländern Europas und nach Amerika; sonst findet man dort noch Bau von Maschinen für Wollwäscherei, Appretur etc., Eisen- und Metallgießerei sowie Korbwaren-, Kinderwagen-, Papierhülsenfabrikation etc.

Krimml, Dorf in der salzburg. Bezirkshauptmannschaft Zell am See, im Pinzgau, 1040 m ü. M., mit (1880) 278 Einw. Dabei der großartige dreifache Wasserfall (350 m) der aus den Tauerngletschern abfließenden Krimmler Ache; südlich der Krimmler Tauern mit Übergang nach Taufers und Bruneck.

Krimpbohne, s. Canavalia.

Krimpen, das Umgehen des Windes in der Richtung, welche dem täglichen scheinbaren Lauf der Sonne entgegengesetzt ist, also auf der nördlichen Halbkugel eine Richtungsänderung des Windes in dem Sinn: WSON., auf der Südhemisphäre aber in dem Sinn: WNOS. Das K. des Windes nach der äquatorialen und östlichen Seite des Horizonts ist ein charakteristisches Anzeichen der Annäherung einer barometrischen Depression von W. An allen Orten innerhalb des Wirkungskreises der Depression und polwärts von der Bahn des Wirbelzentrums krimpt der Wind auch während des Vorüberziehens der Erscheinung, wogegen an der äquatorialen Seite dieser Bahn Ausschießen (s. d.) des Windes stattfindet.

Krimpen, in der Technik s. v. w. Dekatieren, s. Appretur.

Krimpmaß, die Maßverminderung von Getreide und Sämereien infolge längern Lagerns.

Krimsche Krankheit, s. Aussatz.

Krimsche Steppe, s. Krim.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0226.jpg&oldid=- (Version vom 28.10.2022)