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Unweit Longwood, in einer etwas geschütztern Lage, ist eine etwas bessere Wohnung, das sogenannte „Neue Haus,“ welches für den Kaiser gebaut wurde. Als es fertig war, war er schon erlöst. Napoleon hat es nie bewohnt. Jetzt ist’s einem invaliden englischen Hauptmann überwiesen, der zugleich das ganze zu Longwood gehörige Feld in Pacht hat und es durch einen Afterpachter bewirthschaften läßt. Er nimmt von jedem Besucher Longwood’s eine Taxe von 3 Gulden und der industriöse Ritter äußert gern, dieser Bonaparte trage ihm mehr ein, als alle Kühe in seinem Stalle. –

Der Besuch von Napoleon’s Grab erfordert eine Spezialerlaubniß vom englischen Gouverneur und sie wird oft verweigert, gleichsam als ob man den Mann noch im Tode fürchtete.

Die Stätte liegt eine halbe Stunde von Longwood. Der Weg, ein enger Pfad, geht durch tiefe Schluchten und zwischen Felsen hin. Der Ruheplatz selbst ist ein kleiner Bergkessel, von Basaltwänden umschlossen, ein todtenstilles, melancholisches Plätzchen, mit niedrigem Moos und dichtem kurzen Gras bewachsen. Es hat einen einzigen Zugang. Die Mitte des Raumes ziert eine Trauerweide. Da, unter ihren weitüberhängenden Zweigen, ist das Grab, von einem schmucklosen eisernen Geländer umfaßt, bedeckt von einer Platte aus Sandstein, ohne Inschrift. Ein paar Kaktusstauden und Rosenbüsche, welche die Hand der Gräfin Bertrand herpflanzte, sind aus Mangel an Pflege verdorben. Der Wächter bei dem Todten ist ein alter englischer Sergeant, der schon den Lebenden bewacht hat.

Bekannt ist, daß der treue Bertrand mit eigener Hand eine Inschrift in den Stein meißeln wollte; der Kerkermeister aber, Sir Hudson Lowe, es nicht duldete, aus Furcht, Bertrand möchte sich der unlegitimen Benennungen Napoleon und Kaiser bedienen. Der Mann war consequent.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/18&oldid=- (Version vom 24.10.2024)