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endlich einen politischen Charakter annahm, sich in einer Opposition der französischen Bevölkerung gegen alle Maßregeln der Regierung Luft machte, und am Ende, von priesterlichen Einwirkungen nicht frei, in offenem Aufstande ausbrach, der beide Fraktionen des canadischen Volkes zum blutigen Handgemenge gebracht hat. Eine Tendenz von Seiten der Majorität der Canadier, sich von einem Staate loszureißen, der ihnen alle Vortheile gewährt, Mitbürger eines Weltvolks zu seyn, das sie mit der ganzen Macht Großbrittaniens beschützt, und bei sicherer Erhaltung der Freiheit dem Staatsleben den Charakter der Festigkeit und Ordnung verleiht, ist in diesem Streite nicht zu erkennen.


Werfen wir nun noch einen Blick auf unser Bild – die auf hohem Felsenborde stolz thronende Hauptstadt des Landes. Quebeck liegt am Lorenz, dort, wo er sich zu einem strömenden Meere zu erweitern beginnt, das den Namen des Lorenzgolfs führt. Der Riesenstrom ist bei der Stadt 4000 Fuß breit: – aber schon dicht unter derselben hat er eine Bucht von 2 Meilen Breite ausgewühlt, groß und tief genug, alle Flotten der Erde aufzunehmen. Die Landschaft wird in der Nähe von Quebeck, von der Seeseite her, wahrhaft prachtvoll. Die weiten, kaum sichtbaren Gestade ziehen sich plötzlich an einander; ein lachendes Eiland (die Orleansinsel) theilt die von hohem Felsen umpanzerte Wogenmasse, und über einer steilen Wand stürzt der Montmorenci, in einer Breite von 500 Fuß, 250 Fuß hoch mit einem auf 10 Seemeilen weit gehört werdenden Donner herab. Ist man an der Orleansinsel vorüber, dann fällt der Blick in ein reich cultivirtes, fruchtbares Land, besäet mit Landhäusern und Dörfern, und die sich wieder erhebenden Gestade zeigen in der Ferne die Thürme und Bollwerke Quebeck’s in einer Majestät, wie die der Hauptstadt eines Weltreichs.

Das Felsenplateau, auf welches Quebeck gebaut ist, ist 350 Fuß über dem Spiegel des Lorenz. Landeinwärts fällt er allmählich in das anmuthige Carlsthal ab, das der Fluß gleichen Namens bewässert. An diesem Abhange liegt der größere Theil der eigentlichen Stadt. Die Scheitel des Felsen sind gekrönt von den Festungswerken der Cidatelle. Ein Gibraltar der neuen Welt steht dieselbe im Rufe der Unüberwindlichkeit. Stolz wehen von ihren Bastionen die Banner Brittaniens; sie wehen von den Thürmen des Gouvernements-Pallastes, den eine Reihe gewaltiger Pfeiler, gleichsam schwebend über dem Abgrund, tragen, über welchen er gebaut ist; sie wehen von den vielen hundert Schiffen, die theils im Hafen ankern, theils mit schwellenden Segeln, oder Dampf auswerfenden Masten, kommend und gehend, auf dem Busen des Stromes sich wiegen. – Kays, mit knarrenden, aus- und einladenden Krahnen, zahlreiche Werfte, auf welchen Schiffe von allen Größen gezimmert und gerüstet werden, strecken sich vor den tiefen Häusermassen aus, und ein eigenthümliches Summen verkündigt den hier nie rastenden Fleiß.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/38&oldid=- (Version vom 10.10.2024)