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„eine Tagreise; denn es ist noch Niemand unterwegs über Nacht geblieben.“ Und wie tief ist das Meer? „Einen Steinwurf tief; denn wenn man einen Stein hineinwirft, so kommt er sicher auf den Grund.“ Und wie viel Laub hat des Bischofs Linde? „Grad so viel Blätter als sie Stiele hat,“ sprach der Schäfer. Der König war damit zufrieden und fragte weiter: „jetzt kannst Du mir wohl auch noch sagen, wie weit es ist bis zur Armuth.“ Der Schäfer sprach: „Eine Stunde weit; denn vor einer Stunde war ich noch ein armer Schäfer, nun aber bin ich Bischof.“ „So sollst Du es auch bleiben,“ sagte der König, „und wer Schäfer ist, soll Schäfer bleiben.“ Und so ist es auch geschehen. – Vgl. Bürger’s bekanntes Gedicht und die zu Grunde liegende englische Erzählung: „der König Johann und der Abt von Canterbury“ in den altschottischen und altenglischen Balladen, bearbeitet von W. Doenniges, 1852, S. 152 ff.

29. Hans und die Königstochter. Mündlich aus dem würtembergischen Oberlande. Hier nimmt Hans für kurze Zeit wie der Sohn des Kohlenbrenners Nr. 25, die Stelle eines männlichen Aschenputtel oder Aschenbrödel ein. Der Zug, daß sich der wirkliche Sieger durch die abgeschnittene Zunge ausweist, kommt öfters vor. Vgl. Nr. 58. Hans trennt sich von der Königstochter wie Sigurd, der Drachentödter von der befreiten Brynhild. Ebenso Nr. 58. – Verwandt ist bei Wolf, S. 369, der Hinkelhirt (Hühnerhirt) der auf drei verschiedenen Pferden eine Prinzessin von einem dreiköpfigen Drachen erlöst, dann dreimal in einem Ringstechen siegt und zuletzt an einer Wunde erkannt wird, wie bei mir in Nr. 1, der Schäfer und die drei Riesen. Vgl. bei Grimm Nr. 60. die zwei Brüder. Eine zweite Erzählung aus Bühl hat manches Eigenthümliche:

Ein reicher Bauer hatte drei Söhne; von denen giengen zwei oft in’s Wirthshaus; so oft sie aber etwas sagen wollten, hieß es immer: was wißt denn ihr? ihr seid ja noch nie hinter euers Vaters Brodtisch weggekommen. Darüber ärgerten sie sich so, daß sie endlich ihren Vater baten, er möge sie reisen laßen. Der Vater erlaubt es. Da will auch Hans, der jüngste, mit, obwohl er sonst nie aus dem Hause gekommen war. Sie ziehen mit einander aus, verstecken ihre Rohrstöcke und machen aus, wer zuerst heimkomme, der solle die Stöcke mitnehmen. Die Brüder ziehen zur Rechten und zur Linken, der Hans aber grad aus und kommt durch zwei Königreiche; in dem letztern findet er Arbeit und kriegt die Schaafe des Königs zu hüten. Das verstand

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_306.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)