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79. Die Reise zum Vogel Strauß.

Ein reicher Graf hatte einen Bedienten, der mußte ihn begleiten so oft er eine Reise machte, und weil der Bursch immer treu, flink, fleißig und freundlich war, so hatte er ihn sehr gern. Indes einmal, als er wieder auf Reisen war, begieng der Bediente ein kleines Versehen; darüber ward der Graf so zornig, daß er den Burschen nicht mehr vor Augen sehen mochte und ihn mit einem Briefe an seine Frau heimschickte. In dem Briefe aber stand: „die Gräfin solle den Bedienten sogleich einsperren und ihm den Kopf abschlagen laßen.“

Nun wußte der Bursch zwar nicht, was der Graf geschrieben, war aber doch sehr traurig, daß er so bös auf ihn geworden sei und ihn allein fortgeschickt hatte; und viel Gutes werde in dem Briefe auch wohl nicht stehen, meinte er. Und wie er nun nur noch eine Tagreise bis zum Schloß des Grafen hatte und in einem Wirthshause übernachtete, und Abends ganz niedergeschlagen dasaß, fragte ihn der Wirth, woher er komme und wohin er gehe und was ihm fehle. Da erzählte er seine ganze Geschichte und zog zugleich den Brief des Grafen hervor. Der Wirth aber war ein pfiffiger Mann und sagte: den Brief gäbe ich nicht ab, wenn ich nicht wüßte, was darin stände, und beredete den Burschen, daß er ihn endlich aufbrach und las. Da sah er nun, daß der Graf ihn wollte umbringen laßen. Sprach zu ihm der Wirth: „hat der Graf solche Gedanken gegen Dich, so wollen wir ihm einen noch ganz anderen

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_273.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)