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die am ganzen Leibe mit bösen Geschwüren bedeckt war, nicht einmal mehr sehen laßen und wies deshalb den fremden Doktor ab. Der aber ruhte nicht, bis der König endlich es zugab, daß er die Prinzessin besuchen und ihr etwas verordnen durfte. Da schrieb er ihr mit seiner Goldfeder ein Getränk auf und wünschte, daß es ihr darnach ein klein wenig beßer gehen möchte. Und so geschah es auch, und die Freude in dem königlichen Schloße war groß. Dann verordnete er ein zweites Getränk und wünschte, daß es danach allmählig immer beßer werden möchte, und da gieng’s denn auch von Tage zu Tage beßer, so daß die Prinzessin es kaum erwarten konnte, bis ihr Doktor wiederkam. Als er ihr nun ein drittes Getränk gab, hatte er gewünscht, daß sie danach vollkommen gesund werden möchte, und da dauerte es nicht lange, da war sie frisch und wohl wie der Fisch im Waßer und wußte gar nicht, wie sie ihrem Retter genug Dank und Liebe erweisen sollte, denn sie hatte ganz fest gemeint, sie müße sterben. Auch der König war über die Maaßen froh und bot dem Doktor so viel Geld und Gut, als er nur verlange; aber Bernhard wollte nichts nehmen. Als der König jedoch ihm keine Ruhe ließ und zuletzt fast mit Gewalt ein goldenes Scepter ihm aufnöthigte, so nahm er’s zwar hin, um nur fortzukommen; legte es draußen aber in ein Nebengäßchen nieder, weil’s ihm nur Mühe machte, es zu tragen, und wanderte weiter.

Nach einiger Zeit sagte die Prinzessin eines Tags ihrem Vater: „ich bin nun wieder gesund wie der Fisch im Waßer und möchte nicht als alte Jungfer sterben, sondern heirathen.“

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_263.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)