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daß Du mich so zupfest?“ – „Ach verzeihe, rief die Frau, ich wollte nichts, ich hab’ es bloß im Traume gethan.“ – „Na, was träumte Dir denn schon wieder?“ fragte der Drache. „Ach, sagte die Frau, es träumte mir, wo wohl der Schlüßel zur Schatzkammer des Königs geblieben sei.“ – „Es ist wahr, sprach der Drache, der König kann den Schlüßel nicht finden; denn er ist in seinem Sopha eingenäht und eingepolstert. Nun laß mich aber in Ruhe.“ – Nach einer Weile aber, wie der Drache abermals eingeschlafen war, riß sie ihm die dritte Feder aus. Da wurde er aber so wild, daß er die Frau packte und sie zum Bett hinaus werfen wollte. Als sie ihm aber sagte, daß sie es nur im Traum gethan habe, da gab er sich zufrieden und fragte: „was hat Dir denn jetzt schon wieder geträumt?“ – „Ach, sagte die alte Frau, ich weiß gar nicht, was ich diese Nacht für dumme und seltsame Träume habe! denke Dir nur, ich träumte eben, auf dem und dem Waßer müße ein Schiffer beständig hin und her fahren und wiße gar nicht, wie er von seiner Arbeit erlöst werden könne.“ – „Es ist wahr, sprach der Drache, auf dem Waßer fährt der alte Schiffer schon viele hundert Jahre lang; aber der Narr sollte nur einmal einen andern, den er übergefahren, in seinem Schiffe laßen und selbst aussteigen und sagen: „jetzt fahr du!“ so wäre er abgelöst. Wenn Du mich jetzt aber noch einmal im Schlafe störst, so werf ich Dich zum Bett hinaus.“ Nein, das wollte sie auch ganz gewiß nicht, sagte die Alte, und ließ ihn nun auch schlafen bis zum hellen Morgen; da flog er fort, wie gewöhnlich.

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_255.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)