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72. Der König Auffahrer des Meers.

Es war einmal ein junger König, den nannte man gewöhnlich: König Auffahrer des Meers, wahrscheinlich, weil er schon viel auf dem Meer herumgefahren. Diesem Könige träumte es einst drei Nächte hinter einander: er solle ein armes Mädchen heirathen, das keinen Kreuzer Geld besitze. Das erste Mal lachte er darüber. Als aber der Traum sich dreimal wiederholte, schien ihm die Sache doch ernstlich zu sein, und er dachte darüber hin und her und meinte endlich: er könne auch wohl mit einer solchen Frau glücklich werden, wenn sie sonst nur brav und lieb sei. Deshalb unternahm er alsbald eine große Reise, um sich in der Welt umzusehen und sich eine Frau auszusuchen.

Da geschah es, daß er eines Abends in ein Dorf kam und bei einem armen Schuster übernachten mußte. Der Schuster aber hatte eine junge hübsche Tochter, die machte für den König das Abendeßen und das Nachtlager zurecht, und gab dann dem Könige auf alle Fragen, die er an sie richtete, so gute und kluge Antworten, daß sie ihm überaus wohl gefiel und er noch an demselben Abend den Schuster bat: er möge ihm doch seine Tochter zur Frau geben. Der arme Schuster ward fast böse über diesen Heirathsantrag, indem er glaubte, der König wolle ihn zum Besten haben. Er sagte ihm deshalb: „Herr König, Ihr solltet meiner Armuth nicht spotten! Mein Kind ist zwar brav und gut; aber ich weiß recht wohl, daß ihm Alles fehlt, was die Gemahlin eines Königs besitzen muß.“ Als aber der König

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_246.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)