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aber verzettelte er eine ganze Handvoll von dem Korn. Und als nun am andern Morgen die Magd die Treppe abkehren wollte und das Korn sah, strich sie es zusammen und trug es wieder in die Fruchtkammer. Kaum aber hatte sie die Thür aufgemacht, so sah sie die alte todte Frau in dem Kornhaufen stehen und entsetzte sich darüber so sehr, daß sie kaum die Treppe hinabsteigen und zu dem Pfarrer gehn und ihm sagen konnte, was sie auf dem Fruchtboden erblickt hatte. Der Pfarrer aber eilte zum Meßner und fragte ihn: ob er denn seine Schwiegermutter nicht begraben habe? „Ei, freilich hab ich sie begraben!“ „Nicht möglich, sprach der Pfarrer, sie steht ja auf meinem Fruchtboden!“ „Die wird eine Hexe sein, sagte der Meßner, sonst wäre sie wohl nicht wiedergekommen!“

Da bat der Pfarrer den Meßner so dringend und bot ihm hundert Gulden als Belohnung an, wenn er sie noch einmal begraben wolle, so daß er endlich sich dazu verstand und die Leiche mitnahm und sie in den Wald trug. In dem Walde aber traf er unter einem Baume einen Krämer, der war eingeschlafen und hatte eine große Kiste neben sich stehen. Da rief ihn der Meßner an und schüttelte ihn; allein der Mann schlief so fest, daß er davon nicht aufwachte.

Darauf öffnete der Meßner die Kiste und nahm alle Waaren, die sich darin befanden, heraus, versteckte sie in einem hohlen Baume und legte dafür die todte Frau hinein und schloß die Kiste wieder zu. Dann hielt er sich in der Nähe bis gegen Abend auf, wo der Krämer endlich wach wurde, und gieng zu ihm und fragte, was er da zu verkaufen

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_239.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)