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ja ich glaube fest, ich wollte Eure Tochter zur Frau kriegen und selbst noch ein König werden.“

Diese Rede von einem gemeinen Soldaten verdroß zwar den König ein wenig, doch ließ er sich’s nicht merken und sagte vielmehr: „um Dich zu widerlegen, will ich eine Wette mit Dir eingehen. Du sollst ein ganzes Jahr lang so viel Geld haben, als Du verlangst; kannst Du während dieser Zeit die Liebe meiner Tochter gewinnen, so ist es gut, Du sollst sie haben; will sie Dich dann aber nicht, so kostet Dir’s den Kopf. Jetzt besinn Dich wohl!“ Der lustige Ferdinand besann sich aber nicht lange und sagte sogleich, er wolle die Wette wohl eingehen, erhielt dann vom König den Schlüßel zur Schatzkammer und nahm sich für’s erste so viel Geld, als er nur heimtragen konnte. Dann ließ er Eßen und Trinken sich schmecken, lud seine Kameraden zu sich ein, fuhr spazieren und gieng auf Reisen und sah und genoß für sein Geld Alles, was das Herz nur begehrte. Um die schöne Prinzessin aber kümmerte er sich gar nicht. Die war indes nicht so vergnügt wie Ferdinand. Um sie nämlich vor allen Nachstellungen und Bewerbungen zu hüten, hatte der König sie auf eine kleine Insel, die in der Nähe des Schloßes lag, bringen laßen und hatte streng verboten, daß ja kein Mannsbild zum Besuch zu ihr gelaßen würde. Da lebte sie nun wie in einem Gefängnis und hatte oft Langeweile.

Als der lustige Ferdinand eines Tages wieder in die Schatzkammer kam und seine leeren Taschen mit Gold füllte, fragte ihn der König, wie es gehe und mahnte ihn zugleich, daß er nur noch ein halbes Jahr übrig habe und wohl sehen

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_190.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)