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Auf einmal aber, wie es eben elf geschlagen, that sich die Decke über seinem Tische auf, und ein großer Mann ließ sich herunter, der hatte ein Tuch um, das halb weiß und halb schwarz war, und sagte: „was machst Du hier?“ Darauf sagte der Fremde: „ich habe keine andre Herberge mehr bekommen können, und so bin ich hier geblieben.“ – „Das ist ein schlimmer Platz, sprach der Geist; Du wirst dein Leben wohl hier laßen müßen; hast Du aber den Muth, mich zu erlösen, so bist Du gerettet.“ Als der Reisende sich dazu bereit erklärte, sprach der Geist weiter: „es werden alsbald zwölf Teufel oder Geister erscheinen, die werden eßen und trinken und Dich nöthigen, mit ihnen zu eßen, und werden auch mit Dir reden wollen. Du darfst aber nichts von ihnen annehmen, auch kein Wort mit ihnen reden, sondern nur durch Winke sie abweisen. Dann werden sie Dir drohen und werden Anstalt machen, Dich zu verbrennen, und werden Holz zusammenlegen und Dich darauf binden. Aber sei nur ohne Angst! sie mögen mit Dir anfangen, was sie wollen, sie werden es vor zwölf Uhr nicht zu Stande bringen, und mit dem Schlag zwölf müßen sie fort und dann bist Du gerettet. Deshalb laß sie nur machen und sprich nur kein Wort! Dann wird Dich ein Geist in den Keller führen und Dir Bickel (spitze Haue) und Schaufel anbieten; zu dem mußt Du sprechen: hast du’s eingegraben, kannst’s auch wieder ausgraben!“ Und als er dieß gesagt hatte, verschwand der Geist und schwebte gegen die Decke zu, woher er gekommen.

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_180.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)