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Aug sie zuletzt gar nicht mehr von dem blauen Himmel unterscheiden konnte. Da war sie sehr traurig und ihre Mutter noch viel mehr, weil sie, ohne es zu wißen, ihre eigenen Kinder zu Raben verwünscht hatte.

Als nun das Jahr herum war, ließ die Schwester sich nicht länger halten und machte sich, so ungern es die Mutter auch zugab, ganz allein auf den Weg nach dem gläsernen Berge, um ihre drei verwünschten Brüder zu besuchen, und wenn es möglich wäre, zu erlösen. Sie nahm, wie die Brüder ihr gesagt hatten, zwei Hühnerfüßchen mit, und fand richtig den Weg zu dem Berge und zu dem Schloße, und gieng in dasselbe hinein. Da war es gerade halb zwölf Uhr und das Mittagseßen stand fertig da; aber kein Rabe war zu sehen und zu hören.

Da nahm sie den einen Löffel und aß damit ein wenig von dem zweiten Teller und trank aus dem Glase, das ihrem dritten Bruder gehörte. Dann durchsuchte sie das ganze Schloß, und als sie nirgends einen Menschen, noch sonst ein lebendiges Wesen antraf, verkroch sie sich in einen Backofen. – Nachdem sie eine kleine Weile darin gelegen, kam die Mittagsstunde, und mit dem Schlag zwölf hörte sie auch die Raben schreien und durch’s Fenster fliegen. Die merkten bald, daß ein Mensch in dem Schloße sein müße und sagten: „unser Schwesterlein ist da!“ „Ja, sagte der Erste, sie hat meinen Löffel genommen,“ „und hat von meinem Teller gegeßen!“ sagte der Zweite, „und hat aus meinem Glas getrunken!“ sagte der Dritte. Dann suchten sie so lange, bis sie endlich im Backofen ihr Schwesterlein

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_175.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)