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Bäumlein, Bäumlein schüttle dich,
Schüttle alles Gold und Silber an mich!

Dann wirst Du sogleich die schönsten Kleider erhalten. Du mußt aber jedes Mal so lange warten, bis daß alle Leute in der Kirche sind und immer nur ganz zuletzt hineingehen. Dagegen mußt Du immer die erste sein, die die Kirche wieder verläßt und mußt mit deinem Schmucke zu dem Baume hintreten und sprechen:

Bäumlein, Bäumlein schüttle dich,
Zieh alles Gold und Silber an dich!

Dann wird der Baum Alles wieder zurücknehmen.“

Gleich am nächsten Sonntag machte es nun das Eschenfidle gerade so, wie es das weiße Männlein gesagt hatte, gieng zu dem Baume, als ihre Mutter und Schwester so wie alle andern Leute schon in der Kirche waren und sagte den Spruch her:

Bäumlein, Bäumlein schüttle dich,
Schüttle alles Gold und Silber an mich!

Da wurde es mit einem Male von oben bis unten in die schönsten Kleider von Gold und Silber eingehüllt und gieng damit in die Kirche, hörte die Predigt an und verließ die Kirche, ehe noch ein anderer herausgekommen war, und übergab dem Baum auch sogleich wieder diese Sonntagskleider.

Alle Leute aber, die in der Kirche waren, verwunderten sich über das schöne Mädchen mit den goldenen Schmucksachen, und keiner hätte geglaubt, daß das arme Eschenfidle darunter stecke. Auch ihre Schwester war ganz entzückt davon

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_155.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)