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nur anfangen sollte, beschloß aber doch, weil er schon so nahe bei Schwarzdorf war, seine Eltern erst zu besuchen, obwohl er jetzt wie ein armer Bettler zu ihnen kam und sich deshalb gar sehr ärgerte und schämte. – Als er nun aber mit seinen zerrißenen Kleidern in seiner Eltern Haus anlangte und ihnen erzählte, wie er Vize-König von Böhmen geworden sei und seinen Eltern jetzt einen Wagen voll Geld habe bringen wollen, wie aber die Räuber ihm Alles bis auf’s Hemd genommen und ihm dafür bloß diese Lumpen gegeben hatten, da meinten sein Bruder wie auch der Vater: das seien schamlose Lügen und sprachen: „Du bist mir ein sauberer Vize-König; man braucht Dich nur anzusehen; ein loser Landstreicher und Lügner bist; wir kennen Dich noch von früher her!“ Als aber der Sohn sich hoch und theuer verschwor und bitterlich weinte, daß man seinen Worten nicht trauen wollte, da glaubte der Vater, es sei bei dem Sohne nicht ganz richtig im Kopf und er müße durch sein unordentliches Leben seinen Verstand verloren haben. Um ihn deshalb unschädlich zu machen, nahm er eine Kette und schloß ihn daran fest, gab ihm auch schmale Kost, daß er nicht gerade Hungers starb, denn er selbst hatte nicht viel übrig.

So mußte er eine Zeit lang elendiglich schmachten und wurde von allen verlacht und verhöhnt, wenn er sagte: „ich bin doch Vize-König von Böhmen!“ Deshalb waren auch all seine Bitten, ihn doch zu seiner Gemahlin zurückzuführen, umsonst, denn man hielt es für Verrücktheit und hütete ihn um so mehr, auf daß er nicht noch einmal davon laufen möchte.

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_092.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)