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Max Weber: Politik als Beruf

des „Lord“ Northcliffe – immer mehr politischen Einfluß gewinnt.

Bei uns waren allerdings bisher die großen kapitalistischen Zeitungskonzerne, welche sich vor allem der Blätter mit „kleinen Anzeigen“, der „Generalanzeiger“, bemächtigt hatten, in aller Regel die typischen Züchter politischer Indifferenz. Denn an selbständiger Politik war nichts zu verdienen, vor allem nicht das geschäftlich nützliche Wohlwollen der politisch herrschenden Gewalten. Das Inseratengeschäft ist auch der Weg, auf dem man während des Krieges den Versuch einer politischen Beeinflussung der Presse im großen Stil gemacht hat und jetzt, wie es scheint, fortsetzen will. Wenn auch zu erwarten ist, daß die große Presse sich dem entziehen wird, so ist die Lage für die kleinen Blätter doch weit schwieriger. Jedenfalls aber ist bei uns zurzeit die journalistische Laufbahn, so viel Reiz sie im übrigen haben und welches Maß von Einfluß und Wirkungsmöglichkeit, vor allem: von politischer Verantwortung, sie einbringen mag, nicht – man muß vielleicht abwarten, ob: nicht mehr oder: noch nicht – ein normaler Weg des Aufstiegs politischer Führer. Ob die von manchen – nicht allen – Journalisten für richtig gehaltene Aufgabe des Anonymitätsprinzips darin etwas ändern würde, läßt sich schwer sagen. Was wir in der deutschen Presse während des Krieges an „Leitung“ von Zeitungen durch besonders angeworbene schriftstellerisch begabte Persönlichkeiten, die dabei stets ausdrücklich unter ihrem Namen auftraten, erlebten, hat in einigen bekannteren Fällen leider gezeigt: daß ein erhöhtes Verantwortungsgefühl auf diesem Wege nicht so sicher gezüchtet wird, wie man glauben könnte. Es waren – ohne Parteiunterschied – zum Teil gerade die notorisch übelsten Boulevard-Blätter, die damit einen erhöhten Absatz erstrebten und auch erreichten. Vermögen haben die betreffenden Herren, die Verleger wie auch die Sensationsjournalisten, gewonnen, – Ehre gewiß nicht. Damit soll nun gegen das Prinzip nichts gesagt sein; die Frage liegt sehr verwickelt, und jene Erscheinung gilt auch nicht allgemein. Aber es ist bisher nicht der Weg zu echtem Führertum oder verantwortlichem

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Max Weber: Politik als Beruf, München und Leipzig 1919, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Weber_-_Politik_als_Beruf_Seite_28.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)