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aber auch hier stetig abnehmend, herrscht — sagt man — noch der alte freie Pioniergeist des bürgerlichen Unternehmertums der Vergangenheit. Folglich steigt ständig — so wird weiter argumentiert — die Möglichkeit, diese Produktion zu lenken, auch ohne die spezifischen Unternehmerqualitäten zu besitzen, von denen die bürgerliche Gesellschaft behauptet, daß sie für den Betrieb unentbehrlich seien. Das gelte namentlich für die Kartelle und Trusts, die ein riesiges Beamtenpersonal an die Stelle von Einzelunternehmern gesetzt haben. Das ist wieder ganz richtig. Aber wieder nur mit dem gleichen Vorbehalte, daß auch durch diese Standardisierung die Bedeutung einer Schichte gefördert wird, eben: der schon oft erwähnten Beamtenschichte, die in ganz bestimmter Art gebildet sein muß und die deshalb — das ist nun ergänzend hinzuzufügen — einen ganz bestimmten ständischen Charakter trägt. Es ist kein Zufall, daß wir überall die Handelshochschulen, die Gewerbeschulen, die technischen Fachschulen wie Pilze aus der Erde sprießen sehen. Dabei spielt, zum mindesten in Deutschland, der Wunsch mit, auf diesen Schulen in eine Couleur einzutreten, sich Schmisse ins Gesicht hauen zu lassen, satisfaktionsfähig und damit reserveoffiziersfähig zu werden und nachher im Kontor eine Vorzugschance auf die Hand der Tochter des Chefs zu haben: also sich zu assimilieren mit den Schichten der sogenannten „Gesellschaft“. Nichts liegt dieser Schichte ferner als die Solidarität mit dem Proletariat, von dem sie sich ja vielmehr gerade zunehmend zu unterscheiden trachtet. In verschieden starkem, aber in sichtbarem Maße gilt Aehnliches auch von vielen Unterschichten dieser Angestellten. Alle streben nach mindestens ähnlichen ständischen Qualitäten, sei es für sich selbst oder für ihre Kinder. Eine eindeutige Tendenz zur Proletarisierung ist heute nicht festzustellen.

Wie dem nun aber sei, jedenfalls zeigen schon diese Argumente, daß die alte revolutionäre Katastrophenhoffnung, die dem Kommunistischen Manifest seine hinreißende Gewalt verlieh, einer evolutionistischen Auffassung gewichen ist, einer Auffassung also von dem allmählichen Hineinwachsen der alten Wirtschaft mit ihren massenhaften konkurrierenden Unternehmern in eine regulierte Wirtschaft, sei es, daß diese von Beamten des Staates oder durch Kartelle unter Beteiligung von Beamten reguliert ist. Dies, nicht mehr die durch

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Max Weber: Der Sozialismus, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Weber_-_Der_Sozialismus_Seite_24.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)