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statt eines privaten Fabrikanten über ihn verfügt. Die „Trennung“ vom Betriebsmittel besteht in jedem Fall weiter. Solange es Bergwerke, Hochöfen, Eisenbahnen, Fabriken und Maschinen gibt, werden sie nie in dem Sinne Eigentum eines einzelnen oder mehrerer einzelner Arbeiter sein, wie die Betriebsmittel eines Handwerks im Mittelalter Eigentum eines einzelnen Zunftmeisters oder einer örtlichen Werkgenossenschaft oder Zunft waren. Das ist durch die Natur der heutigen Technik ausgeschlossen. —

Was heißt nun gegenüber dieser Tatsache Sozialismus? Das Wort ist, wie schon erwähnt, vieldeutig. Aber der Gegensatz zu Sozialismus, an den man gewöhnlich denkt, ist: privatwirtschaftliche Ordnung, d. h. ein Zustand, bei welchem die wirtschaftliche Bedarfsversorgung in den Händen privater Unternehmer liegt, sich also so vollzieht, daß diese Unternehmer sich durch Kaufverträge und Lohnverträge die sachlichen Betriebsmittel, Beamten und Arbeitskräfte beschaffen und daß sie dann auf eigene ökonomische Gefahr und in Erwartung eigenen Gewinns die Güter herstellen lassen und sie auf dem Markte verkaufen.

Diese Privatwirtschaftsordnung hat die sozialistische Theorie mit dem Schlagworte von der „Anarchie der Produktion“ belegt, weil sie es darauf ankommen läßt, ob das Eigeninteresse der einzelnen Unternehmer an dem Absatze ihrer Produkte: das Interesse daran, Gewinn zu machen, so funktioniert, daß dadurch eine Versorgung derjenigen, die dieser Güter bedürfen, gewährleistet ist.

Die Frage nun, was innerhalb einer Gesellschaft unternehmungsmäßig, also privatwirtschaftlich und was nicht privatwirtschaftlich, sondern — in diesem weitesten Sinne des Wortes — sozialistisch, das heißt: planvoll organisiert, an Bedarf gedeckt wird, hat geschichtlich gewechselt.

Im Mittelalter haben beispielsweise Republiken wie Genua ihre großen Kolonialkriege auf Zypern durch Aktienkommanditgesellschaften, die sogenannten Maonen, führen lassen. Die schossen das nötige Geld zusammen, mieteten die entsprechenden Söldner, eroberten das Land, bekamen den Schutz der Republik und beuteten selbstverständlich das Land für ihre Zwecke als Plantagenland oder Steuerobjekt aus. Aehnlich hat die Ostindische Kompagnie Indien für England erobert und für sich ausgebeutet. Der Condottiere der spätitalienischen Renaissancezeit gehörte in die gleiche Kategorie.

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Max Weber: Der Sozialismus, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Weber_-_Der_Sozialismus_Seite_11.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)