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ist hier nicht der Ort, der Ursachen zu gedenken, die es mit sich gebracht haben, daß die Nachkommen der Studenten von 1848, ja diese selbst in ihren alten Tagen, nicht mehr in dem Lager angetroffen wurden, in dem sie als Kämpfer einst standen, nicht mehr die Wortführer der Ideale der Nation sind. Wenn es einen Toten gibt, der wirklich der Vernichtung völlig anheimgefallen zu sein scheint, obgleich ihn keine Kugeln darniederstreckten, dessen Spuren ausgewischt scheinen, obgleich so wenige Jahrzehnte erst verflossen seit den glanzvollen Tagen seines Erdenleben, so ist dieser Tote — wir gestehen es uns mit Ingrimm und Bitterkeit im Herzen — die stolze „akademische Legion“. Dieses herrliche Korps vom höchsten Idealismus begeisterter Jugend, diese Kerntruppe der Revolution, der Stolz und die Hoffnung aller Freunde des Volkes und der Freiheit, — wo wäre es heute zu finden unter der heranwachsenden Jugend des Bürgertums, die zum allergrößten Teil kalt, verständnislos und abweisend dem gärendsten Drange unserer Zeiten gegenübersteht und, während sich aus der tiefsten Kraft ihres eigenen Volkes eine neue Welt kraftvoll und glückverheißend herauszuringen strebt, ihre Gegenwart vertrödelt in abgestandenen Formen vergangener Zeiten ohne jeden Inhalt oder verdirbt in ödester Streberei um einen auskömmlichen Bissen aus der großen staatlichen Versorgungsanstalt!

Die Arbeiterschaft allein hat die Hoffnung eingelöst, die sie damals erstehen ließ. Ihre damalige Verbindung mit der Intelligenz hat sie in einer viel höheren und umfassenderen Weise zu einer dauernden gemacht. Während sie, wie wir sahen, im Jahre 1848 noch fremden Ideen folgte, so ließ sie sich seither immer mehr von der wissenschaftlichen Erkenntnis ihrer eigenen sozialen Lage und Bestimmung leiten. An Stelle der Intellektuellen wurde so die eigene Intelligenz, an Stelle der Personen die Wissenschaft ihre Führerin. Die größte und unzerstörbare revolutionäre Kraft, die Triebkraft der Wissenschaft, nunmehr in lebendigen Zusammenhalt mit der in einen Willen zusammengeschweißten unermeßlichen Tatkraft der Arbeiterschaft, das ist die auszeichnende Signatur der großen sozialen Bewegung unserer Zeit, in deren Sieg die Leiden aller früheren Revolutionen werden gesühnt, die besten Hoffnungen aller früheren Volksbewegungen endlich werden erfüllt werden.

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Max Adler: 1848. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, Wien 1905, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Adler_-_1848_24.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2018)