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III.

Und noch eines anderen bedeutungsvollen Umstandes, bedeutungsvoll unter uns Österreichern am meisten für uns Wiener, sollen wir heute uns inne werden, wenn wir der Tage von 1848 gedenken. Es ist dies das aufrichtige Geständnis, daß eine solche historische Erinnerung uns wahrhaft not tut, sollen wir nicht an jedem edleren Kern unseres Volkes, an jeder Aussicht einer allgemeineren Entwicklungsmöglichkeit noch für lange Zeit verzweifeln. Fürwahr, gerade der wahre Patriot, der wirklich die Gemeinschaft liebt, an deren Gedeihen seine ganze physische und psychische Existenz und Fortentwicklung geknüpft ist, gerade er könnte am wenigsten dieses Blatt mit der Revolution — an deren bloßen Wortklange schon die falschen Patrioten stets ein Ärgernis genommen haben und noch nehmen — aus der Geschichte Wiens gestrichen sehen.

Indem ich dies mit vollem Bewußtsein ausspreche, ist es am Platze, jenen unsinnigen Anwürfen wieder einmal entgegenzutreten als ob es der Umsturz an sich wäre, dessen wir Sozialdemokraten so rühmend gedenken, die zügellose Durchbrechung aller gesetzlichen Schranken, die rohe, nackte Gewalt, und was sonst noch alles für Schrecknisse dem ruhigen, ordnungsliebenden Bürger aus dem grimmen Worte „Revolution“ entgegenstarren.

Ja freilich, wohl ist die Revolution eines der gewaltigsten Ereignisse im Leben eines Volkes, ein mit elementarer Wucht hereinbrechendes Schicksal, das in seinem unwiderstehlichen Anprall wenigstens zunächst alles besiegt, was sich ihm entgegenstellen will. Aber die Gewalt, die hier sich kundgibt, ist etwas ganz anderes, viel Höheres, als wie es die Ordnungsstützen je zu begreifen vermögen. Das hat sich gerade in Wien gezeigt.

Man denke doch an den Zustand Österreichs vor dem Jahre 1848, an den geistlosen Absolutismus, von dem ich sprach. Unter seinem Drucke war Österreich ein Spott in Europa geworden und die Wiener ein Gegenstand des Mitleids und der Verachtung. Wer immer auf Besserung und Fortschritt hoffte — auf Österreich, auf Wien hat wohl

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Max Adler: 1848. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, Wien 1905, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Adler_-_1848_17.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2018)