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Walther Kabel: Marokkanisches Militär. In: Deutscher Hausschatz, 18. Heft, 37. Jahrgang, S. 809–810

Marokkanisches Militär.
Von W. Kabel.

Marokko steht augenblicklich wieder im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses, nachdem es schon einmal im Jahre 1906 beinahe die Ursache zu einem Kriege zwischen den europäischen Großmächten geworden war. Die schwierigsten Kämpfe, die der Sultan mit den aufrührerischen Stämmen auszufechten hat, legen die Frage nahe, wie es eigentlich mit der bewaffneten Macht des nordafrikanischen Küstensultanats bestellt ist. Herzlich schlecht, kann man nur sagen. Gewiß, französische Instruktionsoffiziere haben sich im letzten Jahrzehnt zwar alle Mühe gegeben, aus den freien und ungeheuer selbstbewußten Eingeborenen eine reguläre Armee zu schaffen, vermochten aber infolge der ständigen politischen Wirren und des häufigen Thronwechsels nur einige Truppenteile aufzustellen, die vielleicht die Bezeichnung Militär verdienen. Außerdem werden diese französischen Offiziere höchstwahrscheinlich von ihrer Regierung auch einen deutlichen Wink bekommen haben, sich bei der Lösung ihrer Aufgabe nicht geradezu allzu große Mühe zu geben. Denn die Marokkopolitik Frankreichs ist seit Jahren nichts als ein schlaues, einzig und allein darauf berechnetes Ränkespiel, das Land zu schwächen und für den Übergang in französischen Besitz reif zu machen. Darüber kann kein Zweifel bestehen, wenn man Frankreichs Stellungnahme gegenüber der Marokkofrage mit offenen Augen ansieht.

Jedenfalls verfügt der Sultan eigentlich nur über eine einzige zuverlässige und wirklich europäisch geschulte Truppe – seine Leibwache. Was sonst an Militär vorhanden ist, genügt auch nicht den bescheidensten Ansprüchen. Von einer sachgemäßen Ausbildung der Offiziere ist keine Rede. Der Stellenkauf in der sogenannten Armee füllt den Säckel des Throninhabers mit bei der steten Geldnot stets willkommenen Zuschüssen. Eine einheitliche Uniform sollte vor Jahren eingeführt werden, kostete aber zu viel, und es blieb daher bei einer Phantasiebekleidung, die jeder sich nach Belieben schafft. Moderne Geschütze sind vorhanden, sollen aber mangels ausgebildeter Mannschaften so gut wie unverwendbar sein. Von einer Truppengliederung weiß die marokkanische Armee nichts. Das Heer im Felde ist nichts als ein wüstes Durcheinander aller möglichen Truppengattungen. Das Wort „Mahalla“, das man jetzt so häufig in den Zeitungen lesen kann, bedeutet ursprünglich „Rastort“ oder „Heerlager“ und dann ein auf einem Kriegszuge befindliches Heer selbst.

Was man von den marokkanischen Soldaten zu halten hat, zeigt die folgende, äußerst humorvolle Episode, die

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Marokkanisches Militär. In: Deutscher Hausschatz, 18. Heft, 37. Jahrgang, S. 809–810. Friedrich Pustet, Regensburg, Rom, New York, Cincinnati 1911, Seite 809. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Marokkanisches_Milit%C3%A4r.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)