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Daher die allgemeine Erfahrung, daß die Kinder Alles stehen und liegen lassen, und selbst ihr liebstes Spielwerk bei Seite legen, wenn Mährchen erzählt werden; ja, es ist auffallend, daß sie ein und dasselbe Mährchen wohl hundert Mal, und mit immer gleicher Aufmerksamkeit anhören, da sie bei der Mittheilung wahrer Begebenheiten, oder sogenannter moralischer Erzählungen, nur zu bald ermüden, und Ueberdruß empfinden. Ganz natürlich! Das Kind fühlt sich nie glücklicher, als wenn es imaginirt, und sich sogar in fremde Situationen und Personen dichtet, und es erwacht daher ungern aus diesem zauberischen Traum der Wahrheit, – wie Herder sich ausdrückt.

Man befürchte übrigens gar nicht, daß dadurch die Liebe zum Wunderbaren zu sehr begünstigt, und dem Aberglauben und der Wundersucht eine schädliche Nahrung dargereicht werde! Dem aufkeimenden Kindergeiste ist Alles ein Wunder, und je mehr der Verstand über die Naturgesetze und ihre Wirkungen aufgeklärt wird, desto mehr verliert sich auch das Wunderbare, und dem Kinde bleibt späterhin nur die süße Erinnerung an die heitern Phantasie-Genüsse seines glücklichen Jugendmorgens. –

Aber das Mährchen gewährt nicht nur, neben der Bildung der Phantasie, eine ergötzliche Unterhaltung, es