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Kaiser verwickelt, und mußte ins Feld rücken. Da übergab er einstweilen, nach der Sitte des Landes, seiner Mutter, der verwittweten Königinn, die Herrschaft, und empfahl ihr besonders seine Gemahlinn und Kinder, und bat sie auf das dringendste, ja dafür Sorge zu tragen, daß ihnen nichts zu Leide geschehe. Das versprach ihm auch die Mutter, worauf er, nicht ohne ängstliche Besorgniß, in den Krieg zog.

Kaum aber waren einige Tage verflossen, so sandte die alte Königinn ihre Schwiegertochter mit deren beiden Kindern auf ein altes, abgelegenes Waldschloß, in der Absicht, sie hier ihren abscheulichen Gelüsten zu opfern, und folgte dann selbst nach.

Eines Tages ließ sie, am späten Abend, ihren Haushofmeister zu sich kommen, und sagte zu ihm: „Morgen Mittag will ich die kleine Aurora speisen; hört Ihr?“ – „Um Gottes Willen, gnädigste Frau!“ rief erschrocken der Haushofmeister. – „Keine Widerrede!“ versetzte die Königinn, „und zwar will ich sie mit einer sauern Zwiebelbrühe essen.“ – Der arme Mann wagte hierauf nichts zu erwiedern, nahm sein großes Messer, und ging in die Kammer der kleinen Aurora. Diese kam ihm freundlich entgegen gesprungen, fiel ihm liebkosend um den Hals, küßte ihn und sagte: „Ach gewiß bringst du mir schönes Zuckerwerk mit!“ Diese holde Freundlichkeit und Unschuld rührte den Haushofmeister bis zu Thränen; er ließ das Messer fallen, und lief auf den Hof, und schlachtete da ein Lämmchen, das er köstlich bereitete, und es der alten Königinn vorsetzte, die es mit großem Wohlgeschmack verzehrte. Die kleine Aurora aber brachte er zu seiner Frau, um sie in einer geheimen Kammer zu verbergen, welche er unten im Hofe hatte.

Acht Tage darauf sprach die alte Königinn abermals zu dem Haushofmeister: „Die kleine Aurora hat mir außerordentlich wohl geschmeckt, nun will ich auch den kleinen