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welchen man sich von Kopf bis zu Fuße sehen konnte, und die mit breiten goldenen und silbernen Rahmen eingefaßt waren.

Kein Zimmer hatte Trudchen nunmehr unbesucht gelassen, nur die verbotene Kammer am Ende der langen Gallerie war noch übrig, wozu der kleine goldene Schlüssel führte. So oft sie diesen ansah, wurde auch ihre Neugier immer von neuem rege, sie zu öffnen, um zu erfahren, was darin enthalten seyn möchte. Kein Essen oder Trinken wollte ihr mehr schmecken, und des Nachts konnte sie davor nicht schlafen. Gewiß hätte sie sich schon am andern Tage hineingewagt, hätte nicht Schwester Aennchen sie gewarnt und abgehalten. Doch am dritten Tage konnte sie ihre Neugier nicht länger bezwingen. Sie nahm heimlich das Schlüsselchen, und trat mit pochendem Herzen an die geheimnißvolle Kammer. Da dachte sie noch einmal an das Verbot des Königs und seinen angedrohten Zorn; doch die Versuchung war so groß, und der Gedanke: wer wird es sehen oder verrathen? gab ihr endlich Muth, daß sie alle Bedenklichkeiten überwand, und den Schlüssel in das Schloß steckte, und leise, leise die Thüre öffnete.

Anfangs sah sie gar nichts, denn es war ziemlich dunkel in dem Gemache; bald aber bemerkte sie, wie der ganze Boden mit geronnenem Blute bedeckt war, und längs der Wand eine Menge Leichname hingen. Das waren Alles Weiber von Blaubart, die er nach einander geheirathet, und hernach gemordet hatte.

Bei diesem Anblick erschrak sie so heftig, daß sie die Thüre gleich wieder zuschlug, aber der Schlüssel sprang dabei heraus, und fiel in das Blut. Geschwind hob sie ihn auf, und wollte das Blut abwischen; aber es war umsonst, sie mochte waschen und reiben, so viel sie wollte, der rothe Fleck wich vor keinem Waschen und Scheuern. Endlich am