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schon anfing, alt zu werden. Sie führte daher den König sogleich in das Gemach ihrer Töchter, damit sie sich sähen.

Als Trudchen hörte, daß der König sie zur Gemahlinn erwählt habe, war sie gar nicht abgeneigt: denn er war schön gewachsen, und sehr angenehm in seinem Betragen; aber wenn sie seinen blauen Bart ansah, so wurde ihr doch so graulich und ängstlich zu Muthe, daß sie es sich gar nicht erklären konnte. So sehr ihr also auch die Mutter und die Brüder zuredeten, dem Könige zu folgen, so konnte sie sich doch lange nicht entschließen, ihm ihre Hand zu geben. Endlich jedoch willigte sie ein, nachdem ihr Schwester Aennchen versprochen hatte, sie zu begleiten und bei ihr zu bleiben. Aus ängstlicher Besorgniß ging sie aber vorher noch zu ihren Brüdern, welche sehr tapfere Ritter waren, und sprach: „Der König mit seinem blauen Barte erweckt mir eine heimliche Furcht, so oft ich ihn ansehe; wenn Ihr mir aber versprecht, mich von Zeit zu Zeit zu besuchen, und mich zu beschützen, wenn es mir etwa übel bei ihm gehen sollte, so will ich ihn nehmen.“

Das versprachen ihr die Brüder mit Hand und Mund, und der älteste gab ihr eine silberne Pfeife, die schallte viele Meilen weit, wenn man hineinstieß. „Nimm diese Pfeife,“ sagte er, „und wenn dir irgend eine Gefahr drohen sollte, so blase hinein, und wir werden spornstreichs kommen und dir helfen.“

Nun war Trudchen zufrieden, küßte die Brüder, und nahm Abschied von ihnen und von der Mutter, und schied unter tausend Thränen; Aennchen aber begleitete sie, und reisete mit ihr.

Wie erstaunt waren sie aber, als sie in Blaubarts königlichem Palaste ankamen, und die Pracht und den Glanz sahen, der ihnen aus Sälen und Zimmern und Schlafgemächern und den kostbarsten Geräthschaften entgegen schimmerte!