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Schloßgarten, ihr beizustehen. Sie hatte sich zwar schon wieder von ihrer Ohnmacht erholt; als sie aber ihr Kind nicht mehr sah, da fing sie bitterlich an zu weinen, und schrie und klagte: „Ach mein Kind, mein liebes Kind, das hat mir der Bär genommen und gefressen!“ Da weinte und jammerte der König mit ihr, und beide waren trostlos, und konnten sich nicht zufrieden geben: denn sie hatten den kleinen Prinzen herzinniglich lieb, und große Freude an ihm.

Der Bär aber fraß das Kind nicht, denn es war kein wirklicher Bär; sondern der Gärtner, der den Mann in der Kirche behorcht, und sich nun vermummt hatte, um den Prinzen zu stehlen, damit er ihn einst zu seinem Nutzen gebrauchen könnte.

Damit aber niemand den Prinzen wiederfinden möchte, so trug er ihn weit, weit weg in einen Wald, wo lang und breit keine Menschen wohnten, als ein Förster, der sein alter Schulkamerad war. Dem erzählte er Alles, was sich mit dem Kinde zugetragen hatte, und stellte ihm vor, wie viel Gewinn sie einmal von der Habe des Prinzen haben könnten. Der Förster aber, der auch ein habsüchtiger Mann war, ließ sich bereden, nahm das Kind zu sich, und erzog es mit seiner Tochter, die Marie hieß, und von gleichem Alter mit dem Prinzen war.

Die Kinder wuchsen zusammen auf, und spielten und lernten mit einander, und ließen nicht von einander. Der Prinz wurde ein Jägersmann, und war brav und ehrlich, und Marie besorgte den Haushalt, und war sanft und fromm, dabei aber auch klug und schlau. Sie hatte schon öfters bemerkt, daß der Gärtner, wenn der Prinz im Walde war, heimlich viel mit ihrem Vater zu sprechen hatte, und daß ihr Gespräch den Prinzen betreffen müsse. „Was mag das zu bedeuten haben?“ dachte sie; „du mußt doch einmal sehen, ob du es nicht erfahren kannst.“