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und weinte darauf blutige Thränen. Hierauf begrub sie das Tüchlein, worin die Gebeine ihres Brüderchens wie in einem Sarge lagen, unter dem Rasen des Maßholderbaumes, und als sie das vollbracht hatte, da ward ihr so leicht, so leicht um das Herz, und sie weinte nicht mehr. Aber der Maßholderbaum fing an, sich zu regen und zu bewegen in den Zweigen, und es lispelte darin, als wenn sich jemand freut, und recht inniglich froh ist. Hierauf ging ein Nebel von der Erde, und stieg zu dem Baum hinauf, aus dem Nebel aber loderte eine Flamme empor, und aus der Flamme flog ein Vogel hoch in die Luft, der war schöner, als der Regenbogen, und trug eine goldene Krone auf dem Haupte. Als das Marlenchen sah, wurde ihr so leicht um das Herz, als wäre nichts geschehen, und sie ging wieder zurück in’s Haus, und setzte sich an den Tisch.

Der Vogel aber flog weg, und setzte sich auf das Haus eines Goldschmidts, wo er also sang:

Meine Mutter schlug den Kopf mir ab,
Des Vaters Magen ward mein Grab,
Marlenechen, mein Schwesterlein,
Legt’ in ein Tüchlein mein Gebein,
Und grub es auf des Hofes Raum,
Wohl unter dem Maßholderbaum;
Tireli, tireli, seht mich,
Was für ein schöner Vogel bin ich!

Das hörte der Goldschmidt, der eben eine schöne goldene Kette in der Hand hielt, und lief aus seiner Werkstatt, um den Wundervogel zu sehen.

Als er auf die Straße kam, schien die Sonne so hell, und der Himmel glänzte so schimmernd, daß er sich die Hand vor die Augen halten mußte, um den Vogel zu sehen. Als er ihn nun auf dem Dache sitzen sah, sprach er: „Mein Goldvöglein, singe mir dein schönes Liedchen noch