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rief: „Ach, Mutter, ich habe meinem Brüderchen den Kopf abgeschlagen!“ und wollte sich nicht zufrieden geben.

Da sprach die Mutter: „Ei, was hast du gemacht! Aber es ist nun einmal nicht zu ändern. Darum schweige nur still, daß der Vater und niemand etwas merke; wir wollen Brüderchen wegbringen, und sauer kochen.“ Und damit holte sie das todte Kind in die Küche, und hackte es klein, that die Stücke in den Kessel, und kochte sie sauer. Marlenchen aber stand dabei, und weinte, daß die Thränen in den Kessel fielen, und das Fleisch kein Salz brauchte.

Mittlerweile war es Mittag, und der Vater kam nach Hause, und setzte sich an den Tisch. Da trug die Mutter das, in Sauer gekochte, Fleisch des Sohnes auf.

Als sie nun Alle um den Tisch saßen, fragte der Vater: „Wo ist denn mein Sohn?“ Da weinte Marlenchen, und konnte nicht antworten. Aber die Mutter sprach: „Er ist über Land gegangen zu seinem Oheim; da will er eine Zeit lang bleiben.“ – „Das nimmt mich Wunder,“ antwortete der Vater; „er hat nicht um Erlaubniß gebeten, und nicht Abschied von mir genommen.“ – „Laß nur gut seyn,“ sprach die Mutter, „er ist dort gut aufgehoben, und wird bald wieder kommen. Lange du nur zu, und iß dich satt!“

Da ließ sich der Vater zureden und aß, und es schmeckte ihm über die Maßen wohl; aber er wußte nicht, daß er das Fleisch seines Sohnes äße. Er verzehrte ein Stück nach dem andern, und konnte gar nicht satt werden; die Knochen warf er unter den Tisch. Marlenchen aber weinte, und aß nicht und trank nicht, sondern bückte sich unter den Tisch, und las sorgfältig alle Knöchlein in ihr bestes, seidenes Tuch, das sie aus dem Schrank nahm.

Nachdem sie nun alle Beinchen zusammen gebunden hatte, trug sie das Tuch vor die Thüre unter den Maßholderbaum,