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und Eroberung der Stadt und Festung Longwy beauftragt, die hart an der belgischen Grenze auf einer das Tal des Chiers beherrschenden, sich um hundertundzwanzig Meter über die Talsohle erhebenden felsigen Höhe liegt. Zum vierten Male im Zeitraume von hundertzweiundzwanzig Jahren ist das Felsennest erobert worden: 1792 von den Preußen vor dem Treffen von Valmy, das dem Feldzuge die für die Truppen der jungen französischen Republik günstige Wendung gab, 1815 von den Alliierten nach einem Bombardement von acht Tagen, 1870 von den Deutschen nach längerer Belagerung und tapferer Gegenwehr der Franzosen und nun abermals in den letzten Augusttagen 1914 nach einer Beschießung, die zweieinhalb Tage dauerte.

Der untere, offene und industriereiche Stadtteil, Longwy-Bas genannt, zeigt nur wenige Spuren des Kampfes. Bloß die Brücke über den Chiers und einige in der Nähe stehende Häuser wurden beschädigt oder zerstört. Die Brücke war bei unserm Besuch längst so wiederhergestellt, daß der Verkehr ungehemmt darüber gehen konnte. Die Oberstadt Longwy-Haut dagegen ist durch die deutsche Beschießung buchstäblich in einen Trümmerhaufen verwandelt worden. Die deutsche Gründlichkeit hat hier gleich zu Anfang des Feldzuges in Frankreich ein Werk vollbracht, das fast wie ein gewolltes warnendes Beispiel den Beweis vorlegte, daß die Mauer- und Erdwerke der veralteten Festungen an der französisch-

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/88&oldid=- (Version vom 1.8.2018)