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zwei Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett, die einige französische Gefangene bei Aufräumungsarbeiten bewachen. Wir bieten ihnen, den Deutschen und den Welschen, Zigarren und Zigaretten an, und wie ich mich den Franzosen als Schweizer zu erkennen gebe und einige französische Worte an sie richte, blicken sie mich fröhlich an. Sie scheinen übrigens nicht unglücklich zu sein über ihre Gefangenschaft.

Im Vorrücken gegen die Maaslinie Verdun-Toul haben die Deutschen fast jeden Fußbreit erkämpfen müssen. Manches Dorf und manche Stellung hat mehr als einmal den Besitzer gewechselt. Auch die Umgebung des Schlosses, in dem vor den Deutschen die Franzosen — wie man uns sagt, nicht allzu reinlich — gehaust haben, zeigt Spuren von Kämpfen, die hier stattgefunden haben: französische Schützengräben, in denen noch verwittertes Stroh liegt, Geschützeinschnitte, besonders aber eine lange Reihe von Kriegergräbern, die im Obstgarten, der Schloßmauer entlang, aufgeworfen sind, wie die Inschriften an den Kreuzen zeigen, Deutsche und Franzosen bergend, diese in größerer Zahl. Mitten im Obstgarten aber liegt, dicht neben einem Baume, ein einzelnes Grab, ohne Kreuz und Schmuck: das Grab eines Franktireurs, eines Bürgers, der aus dem Hinterhalte auf eine deutsche Schildwache geschossen hatte. Der Schuß ging fehl, der Franktireur wurde gefaßt und nach Kriegsrecht erschossen. Die Strafe vollzog die

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/61&oldid=- (Version vom 1.8.2018)