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deutschen Stellungen heran und begannen dann auszuschwärmen. Die Deutschen lagen in ihren Deckungen, die Geschütze und Maschinengewehre in die Feuerlinie der Infanterie, in die vorbereiteten Geschützstände vorgezogen, alles schußbereit. Kein Schuß fiel. Die Franzosen liefen förmlich in das deutsche Feuer hinein. Man ließ sie auf zweihundert, auf hundert, ja vereinzelt bis auf fünfzig Meter herankommen. Da begann mit einem Male auf der ganzen Linie ein höllisches, mörderisches Feuer, das die französischen Schützenlinien, Unterstützungen und Reserven im wörtlichen Sinne hinmähte. Die deutschen Feldgeschütze sprühten ihnen ihre Kartätschen entgegen, die Maschinengewehre ließen ihr vernichtendes, ratterndes Strichfeuer spielen, und die Infanterie gab Schnellfeuer ab. Die Wirkung dieses Feuerüberfalls war fürchterlich. In Haufen lagen die Leichen nachher übereinander, drei, vier Mann hoch an einzelnen Stellen. Die Schützenlinie wurde sozusagen bis auf den letzten Mann vernichtet; was an Reserven noch vorgebracht werden konnte, brach ebenfalls unter dem wohlgezielten, ruhig abgegebenen Feuer der Deutschen zusammen. Der Angriff war blutig abgewiesen. Erst als die Überbleibsel der Reserven zurückfluteten, konnte die französische Artillerie in Tätigkeit treten, während sie vorher, teils durch den Nebel und die Dunkelheit der Morgendämmerung, teils durch die eigene in der Gefechtslinie stehende Infanterie verhindert war, zu wirken.

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/50&oldid=- (Version vom 1.8.2018)