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malerischen Winkelgäßchen erreichen wir das gesegnete Gebiet der Mosel. Der herrliche Bernkastler Moselwein löst die Zunge meines bisher etwas schweigsamen Reisegefährten, und auf der Weiterreise nach Trier erzählt er mir noch manches von seinen Erlebnissen, und wir tauschen unsere Gefühle aus über die fürchterlich-große Zeit. Herr Vollbehr trägt einen englischen graugrünen Offiziersmantel, darüber einen französischen Offiziersmantel aus Gummi, beide sind gefangenen Offizieren abgenommen worden, die dieser wärmespendenden Dinge in der Kriegsgefangenschaft weniger bedürfen als die kraftwagenfahrenden Offiziere und Kriegsmaler an und hinter der Front. Herr Vollbehr schildert mir die Stellungskämpfe, die jetzt seit Wochen schon an der ganzen Schlachtfront von Toul bis an die Oise geführt werden. Jede Frage wird mit Freude beantwortet. In dem Abschnitt der Armee, der er zugeteilt ist, liegen die Schützen sich auf nächste Entfernung bis an den Scheitel eingegraben gegenüber. Wehe dem, der den Kopf oder die Hand über dem Erdboden erblicken läßt. Aus der feindlichen Lauerstellung fallen sofort die Schüsse und strafen den Unvorsichtigen. Wird ein neuer Laufgraben erstellt, so heißt es bei der Arbeit scharf aufpassen, daß man den Arm nicht zu hoch hebt. Selbst des Nachts schießen die gegenüberliegenden Engländer alles weg. Es sei unmöglich, die Toten und Verwundeten wegzuschaffen, da auch die Sanitätsmannschaften nicht geschont werden. Infolgedessen

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)