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durch die dampfende Erde, ein Bild des tiefsten Friedens. Seine Söhne stehen wohl weit, weit im fernen Lande. Der Graubart aber schreitet mit festem Schritte aus und führt mit starker Hand das wühlende Pflugmesser durch den Boden, auf daß er neue Frucht treibe fürs nächste Jahr — fürs nächste Kriegsjahr vielleicht. Felder und Wälder, Wiesen und Äcker sind wohlbestellt. Weidende Kühe auf den Matten, doch ohne das heimatliche Glockengeläute. In Simmern kurzer Halt. Eine ganze Kolonne von Kraftwagen, die Liebesgaben für die Truppen an die Front bringen, fährt an uns vorbei. Schräg gegenüber dem einfachen Landwirtshaus hängt über der Tür einer Spezereihandlung die Rotkreuzfahne heraus. Davor ist ein mit den schwarz-weiß-roten Reichsfarben angestrichenes Faß aufgestellt, in dessen oberem Boden ein viereckiges Loch eingesägt ist — ein Liebesgabenfaß. Es ist noch früh am Tage, und schon ist die Tonne zu einem Viertel gefüllt mit Gaben aller Art: Zigarren, Zigaretten, Strümpfen, wollenen Unterkleidern, Obst, alles kunterbunt durcheinander. Am Abend werden die Gaben sorgfältig gesondert und an die Sammelstelle abgeliefert. So hat jedermann Gelegenheit zu spenden nach seinem Vermögen, und jeder gibt reichlich. Ein wahrer Wetteifer der Uneigennützigkeit und Opferfreudigkeit geht durch die deutschen Lande.

Im burggekrönten Städtchen Bernkastel mit seinen schiefergedeckten alten Giebelhäusern und

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)