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Verwundete im dichten Ginstergebüsch verborgen. Der Führer läßt den Hund von der Leine los und befiehlt: Revier! Apport! Such’ den Kerl! Der Hund wittert die Spur, schnüffelt, bellt, steht stille, reckt den Kopf in die Höhe, rennt hin und her, wittert wieder und verschwindet dann im Gebüsch. Nach kurzer Zeit springt er in Sätzen daher, trägt eine Soldatenmütze in der Schnauze und bringt sie seinem Meister. Der befiehlt: Geh hin! Sag wo! und läßt sich von dem Hunde zum Verwundeten hinführen. In gleicher Weise wird auch der zweite Verwundete aufgesucht, gefunden und geborgen. Der Führer und Abrichter des Kriegshundes ist — ein berühmter Wagnersänger eines deutschen Hoftheaters. Beim Ausbruch des Krieges hatte sich der Vierzigjährige als Kriegsfreiwilliger gemeldet, war — vermutlich wegen Kurzsichtigkeit, der Mann ist Brillenträger — zurückgestellt worden und hat schließlich als Sanitäter und Kriegshundführer beim Schneeschuhbataillon Verwendung gefunden. Selbst dem Höchstgestellten ist heute keine Arbeit im Dienste des großen Ganzen zu gering.

Nachdem uns in dem mit der Schweizerflagge geschmückten Zelte ein wärmender Punsch gereicht worden war, traten wir hochbefriedigt von der Übung den Abstieg in das Bergdörfchen an, wo uns der gastfreundliche Bataillonskommandeur ein einfaches, aber vortreffliches Mahl bot, bei dem der frohgemut stimmende Moselwein nicht fehlte.

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/249&oldid=- (Version vom 1.8.2018)