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zu Mülhausen. Ein weiteres Vordringen stärkerer französischer Kräfte ins Oberelsaß mußte deutscherseits aus politischen und militärischen Gründen verhindert werden. Die damals dort schwachen deutschen Streitkräfte setzten daher den angreifenden Franzosen bei Sennheim, Uffholz und Steinbach einen zähen Widerstand entgegen, und so kam es in dieser Gegend in der Weihnachtswoche und den ersten Tagen des neuen Jahres zu wiederholten hin- und herwogenden Kämpfen, bei denen die Artillerie das große Wort führte. Dabei wurde das schöne Dorf Steinbach vollständig zerstört und bildet heute einen einzigen Trümmerhaufen. Ein betrübendes Bild der Kriegswut. Auch Uffholz und Sennheim sind hart mitgenommen, und in Alt-Thann, das in französischem Besitz ist, wird es nicht viel besser stehen. Die in der Zone des Artilleriefeuers liegenden Ortschaften sind zwangsweise geräumt worden, die Einwohner wurden nach Mülhausen oder hinter den Rhein ins Badische geschafft. Herzergreifende Szenen spielten sich ab, wenn sich die Leute von Haus und Hof trennen mußten, mit der Voraussicht, bei ihrer Rückkehr ihr Heim in Schutt und Asche zu finden. Und doch war die Maßregel notwendig und eine Wohltat für die Bevölkerung, deren Verbleiben zahlreiche Opfer gekostet hätte. Ein beklemmendes, unsäglich drückendes Gefühl beschleicht den unbeteiligten Zuschauer, der die menschenleren Gassen der ausgeräumten Städtchen und Dörfer durchschreitet.

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/222&oldid=- (Version vom 1.8.2018)