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vor Augen und prägen sich seinem Bewußtsein ein. Während meines Besuches in einem großen Feldlazarett eines Etappenortes an der belgisch-französischen Grenze trafen eben mehrere Wagen voll Verwundeter ein, die direkt aus einem Gefecht in den Argonnen oder an der Aisne herbefördert worden waren. Zur Beförderung der Verwundeten vom Schlachtfelde steht den Etappenlazaretten ein zahlreicher Park von Kraftwagen zur Verfügung. Die größten davon sind für den Transport von zwanzig bis dreißig sitzenden Leichtverwundeten oder von zwölf liegenden Schwerverwundeten eingerichtet. In zwei vollbesetzten Kraftwagen werden fünfzig Leichtverwundete, die soeben angekommen sind, auf den Bahnhof geführt, um hier sogleich verladen und weiter rückwärts befördert zu werden. Um die Mittagsstunde sind sie verwundet worden, auf dem Hauptverbandplatze wurde ihnen der erste Verband angelegt, nachmittags fünf Uhr sitzen sie fünfzig bis sechzig Kilometer hinter der Gefechtsfront im Eisenbahnzuge und kommen noch in der gleichen Nacht an ihrem Bestimmungsorte im Landesinnern an.

Da langt auch ein Wagen mit Schwerverwundeten an. Eben wird einer auf einer Bahre vom Wagen ins Lazarett getragen. Die dargebotene Zigarette, die sonst alle Verwundeten mit Leidenschaft ergreifen, lehnt er traurig lächelnd ab: Der Arzt hat ihm das Rauchen verboten, er hat einen Brustschuß. Ein zweiter mit verbundenem Kopfe, ein dritter mit zerschmetterter Schulter,

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/181&oldid=- (Version vom 1.8.2018)