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französischen Geschosse durch die Dämmerung. Das ist, wie mir der Oberst mitteilt, die Tageszeit, zu der die Franzosen regelmäßig ihr Feuer verstärken. Bald hier, bald dort surrt es und knallt es mit dem bekannten Tack-Tack des Einschlages.

In dem Hause der schönen jungen Französin, von der oben die Rede war, ertönte Gesang und Lautenspiel. Nachdem der Oberst mit mir eingetreten war und die übliche Meldung des Unteroffiziers entgegengenommen hatte, bat ich noch um ein Lied. Da stimmte der mit der Laute an, und was war wieder die Weise? Stille Nacht, heilige Nacht. Auch hier Weihnachtsstimmung. Dann folgte das schwermütige, auch von unseren Schweizersoldaten so oft gesungene: Nach der Heimat möcht' ich wieder ... sei gegrüßt in weiter Ferne, teure Heimat sei gegrüßt!

Mit herzlichem Händedruck verabschiedete ich mich von dem Obersten, der in seine stille Waldklause zurückkehrte, während der Ordonnanzoffizier und ich mit unserer Wache den Weg zu unserm Quartier nahmen, wo wir nach sechsstündiger Wanderung anlangten.

Als wir in später Stunde noch fröhlich beisammen saßen, meldete ein schneidiger Major dem Artillerieobersten Z. den Durchmarsch seines Bataillons durch das Dorf. Es hatte bereits einen längeren Tages- und Nachtmarsch hinter sich und noch zwei Wegstunden vor sich. An den Straßenrändern lagen oder saßen die Leute auf dem harten, kalten Boden zu kurzer Rast. An einer

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/176&oldid=- (Version vom 1.8.2018)