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Unterstände entdecken. Das Artilleriefeuer schweigt heute fast ganz.

Wir steigen in einen einsamen Talgrund hinab, in dem versteckt ein Weiler liegt. In den Häusern ist eine deutsche Infanterie-Kompanie untergebracht, als Reserve oder Ablösung der weiter vorne am Berghang in den Schützengräben liegenden Besatzung. Oberst V. besucht mit mir verschiedene Unterkunftsräume. Überall, in den Quartieren, in ihrer Umgebung, auf den Parkplätzen herrschen tadellose Ordnung und Reinlichkeit. Auch hier steht in jedem Quartier der Christbaum, und jeder Mann hat sein Weihnachtspaket erhalten. Der Oberst stellt mich überall als Schweizer vor, und manchmal meldet sich dann einer, der vor dem Kriege in der Schweiz in Stellung gestanden hat und gerne ein Wort mit mir wechselt. Auch der Revierkrankenstube wird ein Besuch abgestattet. Dort liegen nebst einigen Revierkranken mehrere Leute, die gegen Typhus geimpft worden sind. Auf dem Tische brennt unter einem Apparat die Spirituslampe, hier wird der Impfstoff gebraut oder zum Gebrauche zugerichtet. Die Frage, ob hier Typhusfälle vorgekommen seien, wird mir verneint. Die Typhusimpfung wird aber als Vorbeugungsmaßnahme im ganzen Heere durchgeführt.

In und vor den Wohnungen treffe ich die deutschen Soldaten im freundlichsten Verkehr mit den französischen Dorfbewohnern. Der Oberst

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/164&oldid=- (Version vom 1.8.2018)