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von meiner Ankunft gehört habe, würde sich über meinen Besuch freuen. Wie gerne nahm ich die Einladung an. Als wir das Dorf erreichten, war die Batterie schon zu der Feier versammelt auf dem ausgeräumten Heuboden einer alten Scheuer. Herzlich wurde ich vom Batteriechef Hauptmann von P. begrüßt. Staunend schaute ich mich um: die Heubühne war in einen Festraum verwandelt, der an sinnigem Schmuck und weihevoller Stimmung den Kirchenräumen nicht nachstand. Der ganze Raum prangte im Tannengrün, die Lichter des prachtvollen großen Tannenbaumes spendeten eine mäßige Helle. Auf einem erhöhten Boden stand ganz im Tannenreis verborgen ein altes Klavier. Hier hatte auch der Festchor Platz genommen, der durch seine Lieder und Musikvorträge der Feier die rechte Weihe gab. Das Programm dieser eigenartigen Weihnachtsfeier, das mir der Hauptmann zum Andenken überreichte, enthielt neben Klaviervorträgen, einer Ansprache des Batteriechefs und der Gabenverteilung auch etliche Doppelquartette, darunter das Lied Stille Nacht, heilige Nacht, das an dieser Stätte und in diesem Kreise eine bezaubernde Wirkung ausübte. Die Stimmung der Festgemeinde, die aus bayrischen Soldaten bestand, war gedämpfte Fröhlichkeit. Ein Fäßlein bayrisch Bier hatte seinen Weg bis hierher in die Front gefunden.

Mit herzlichem Dank verabschiedete ich mich von der Batterie, um mein Quartier zu beziehen.

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/157&oldid=- (Version vom 1.8.2018)