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einer Fußbatterie Quartier bezogen. Ein bärtiger Landwehrmann hat das kleine Kindlein seiner französischen Quartiergeberin auf seinem Arme in die Kirche getragen und hält es hoch empor, damit es auch den Lichterschein schaue, und die jungen schwarzbraunen französischen Äuglein leuchten erstaunt ob der niegeschauten Pracht. Und die französischen Frauen, Buben und Mädel, die mit den deutschen Soldaten in die Kirche geströmt sind, lauschen den fremden Lauten der deutschen, von den Wänden ihrer Kirche widerhallenden Weihnachtslieder. Wenn sie auch die Worte der Lieder nicht verstehen, so ahnen und fühlen sie doch vielleicht etwas von dem beseligenden Hauch, der über dem deutschen Weihnachtsfeste weht. Der protestantische Feldgeistliche, der hier die Weihnachtspredigt hält, fordert die Soldaten auf, Weihnachten fröhlich zu feiern, aber bei aller Lust derer nicht zu vergessen, die zu Hause in Trauer und Kummer sind, ein Mahnwort, das gewiß hier auf fruchtbaren Boden fällt. Haben doch die meisten dieser Krieger selber Weib und Kind zu Hause verlassen.

Die in ihrer Art schönste, rührendste und innigste Weihnachtsfeier stand mir aber erst noch bevor. Mein neuer Begleiter teilte mir mit, daß die im nächsten Nachbardorfe untergebrachte Fußbatterie aus dienstlichen Gründen ihre Feier etwas später abhalte, und wir noch rechtzeitig genug hinkämen, um an ihr teilzunehmen. Der Batteriechef, der mit der Schweiz in nahen Beziehungen stehe und

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/156&oldid=- (Version vom 1.8.2018)