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ertönt das Lied vom Tannenbaum. Und es kreist der Becher mit dem wärmenden Punsch. Draußen bei der Feldwache, drinnen im Saale feiern sie nach alter Sitte das deutscheste der deutschen Feste: Weihnachten.

Vor vierundvierzig Jahren war’s. Kriegsweihnachten 1870.

Als Kriegsweihnachten 1914 nahten, da tauchten die beiden Bilder vor den Augen des Kriegsberichterstatters auf und mit ihnen der Wunsch, Kriegsweihnachten an der deutschen Front zu feiern. Dank der gütigen Erlaubnis des Armeeoberkommandos, in dessen Bereich ich meine Tätigkeit zurzeit ausüben darf, ist mein Wunsch in Erfüllung gegangen. Im Kraftwagen des Artilleriechefs im Stabe des Armeeoberkommandos, Oberstleutnants E. erreiche ich am 23. Dezember das etwa zehn Kilometer hinter der deutschen Front liegende Hauptquartier eines Armeekorps, wo ich dem kommandierenden General und seinem Stabe vorgestellt werde. Der General ist eine ernste, stattliche und eindrucksvolle Persönlichkeit. Aus seinen hellblauen klugen Augen leuchten Wohlwollen und männliche Entschlossenheit. Während der dienstlichen Besprechung zwischen dem Stabe des Generalkommandos und dem Artilleriechef des Armeeoberkommandos habe ich Gelegenheit, die Vorbereitungen zur Weihnachtsfeier zu besichtigen, die hier getroffen worden sind. Schon steht in der Nähe des Stabsquartiers ein Wäldchen von Tannenbäumen aufgepflanzt.

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/147&oldid=- (Version vom 1.8.2018)