Seite:MüllerKriegsbriefe.pdf/109

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und Trompetenschall einer Garnisonmusik marschieren sie im Gleichschritt durch die Straßen der Stadt zum Bahnhof, in freier, ungezwungener Haltung, die Gewehre bequem auf der rechten oder linken Schulter. Die Infanterie-Offiziere, selbst die berittenen, sieht man häufig mit dem Kurzgewehr, das heißt dem Karabiner, ausrücken, der am Riemen quer über den Rücken getragen wird. Jauchzer und fröhliche Zurufe schallen aus der Kolonne in die Reihen der spalierbildenden Bürger hinein oder zu den Fenstern hinauf. Manch einer tritt auch noch rasch aus Reih und Glied und bietet im Vorübergehen einem Bekannten oder einer Schönen die Hand zum Abschiedsgruß. Niemand wehrt es ihm. So zogen sie vorbei, Gewehre und Kopfbedeckungen mit grünen Zweigen, Blättern oder herbstlichen Blumen geschmückt, solange solche zu finden waren. Jetzt wo Winterfröste und frühe Winterstürme Bäume und Sträucher ihres letzten Schmuckes beraubt haben und die letzten Astern verblüht sind, tragen sie als Schmuck Fähnchen und kleine Flaggen in den Reichsfarben und Landesfarben des Bundesstaates, dem sie entstammen, Papierblumen und allerhand farbiges Flitterwerk. Letzter Tage sah ich den Ausmarsch einer bayerischen Truppenabteilung. Diesmal waren es nicht junge, frischausgebildete Mannschaften, die ins Feld zogen, sondern meist ältere, bärtige Leute, von denen wohl fast jeder Weib und Kind zu Hause hat. — Es war Landwehr. „Geht’s an die Front?“ frage ich, die Kolonne

Empfohlene Zitierweise:
Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/109&oldid=- (Version vom 1.8.2018)