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belebt sich das Straßenbild durch den Einmarsch von Truppenabteilungen, die von der Übung in die Kaserne zurückkehren oder durch den Abmarsch von Ersatztruppenteilen, die am Bahnhof verladen und an die Front geführt werden. Auf den Kasernen- und Exerzierplätzen werden Rekruten, Kriegsfreiwillige, Ersatzreservisten und unausgebildete Landsturmleute eingeübt. Der Andrang der Freiwilligen war beim Kriegsausbruch so ungeheuer gewesen — man spricht von zwei Millionen — daß sehr viele zurückgewiesen oder zurückgestellt werden mußten. Es gab solche, die von Garnison zu Garnison eilten und sich immer wieder zur Annahme meldeten. So zum Beispiel haben sich in Metz u. a. zwei Kriegsfreiwillige aus dem Königreich Sachsen gestellt, die, in der Heimat abgewiesen, bis hierher gekommen waren, um endlich ihren Wunsch, eingestellt zu werden, in Erfüllung gehen zu sehen. Bezeichnend ist das Gespräch zweier Kameraden, das hier als Anekdote herumgeboten wird. Ob wahr oder erfunden, es ist ein sprechendes Stimmungsbild: „Du, ich bin als Kriegsfreiwilliger angenommen!“ redet freudig bewegt der Freund den anderen an. "I was, hast du denn Protektion?“ erwidert der zweite! Kein Wunder, daß die jungen Truppen, die nun in die Front eingerückt sind, mit leidenschaftlichem Ungestüm und fast unbezähmbarem Tatendrang ins Gefecht ziehen. Das Wunderbare und Erhebende dieser in der Weltgeschichte bisher kaum erreichten opferfreudigen

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/106&oldid=- (Version vom 1.8.2018)